Denkpausen gezielt nutzen

Lernpausen zu gestatten war der eine Punkt, der mich reiterlich enorm weitergebracht hat mit schwierigen Pferden. Wenn ich daher nur einen Aspekt benennen müsste, der meinen Umgang mit Pferden erheblich verbessert hat, müsste ich sagen: Dem Pferd Denkpausen geben. Hektische Pferd sind immer auf Sendung und damit mental schnell überfordert.

Zur Klarstellung: Ich rede nicht von Schrittpausen während der Arbeit oder weniger anstrengende Episoden unter dem Sattel. Diesen habe ich schon immer viel Bedeutung beigemessen. Aber wenn es eine Sache gibt, die ein Pferd enorm runterbringt und zum Zuhören animiert, dann sind es Denkpausen im Stand.

Wer profitiert von Denkpausen?

Inhalt

Profitieren tun nach meiner Erfahrung vor allem junge, unerfahrene Pferde oder besonders aufbrausende, hektische Pferde.

Das leicht erregbare Pferd ist gedanklich sehr flexibel und will dem Reiter meist auch gefallen. Entweder weil es ständig vorgreift, oder weil es aus der Balance kommt, fährt es schnell emotional auf 180 und ist dann nicht mehr ansprechbar. Daraus resultieren Übersprungshandlungen, Unkonzentriertheit und ultimativ unnötige Fehler.

Das übereifrige Pferd hat keine Probleme mit Druck an sich, sondern damit, dass es aus seiner Perspektive keinen Weg zurück gibt zur Entspannung. Das Adrenalin im Körper fährt das Pferd hoch und es hat buchstäblich keine Möglichkeit diese Situation selbst aufzulösen.

Reaktion des Menschen

Jetzt gibt es als Reiter zwei Möglichkeiten mit so einem Pferd umzugehen:

  1. Training beenden oder
  2. 20 Minuten Arbeitspause geben zum runterzukommen.

Sehen wir uns Punkt 1 näher an:

Wer aufhört das Pferd zu arbeiten, steigt mit einem schlechten Gefühl ab. Das birgt Frustpotential. Der Reiter wird auch in Zukunft Schwierigkeiten haben, Leistung abzurufen, weil immer wieder der Punkt kommt, wo das Pferd gedanklich aussteigt. Da muss man als Reiter schon ganz schön Nerven haben, um das einem Pferd nicht zu verübeln und trotzdem positiv gestimmt in die nächste Arbeitsphase einzusteigen.

Ich bin ein großer Fan davon Reiteinheiten immer mit einem positiven Ergebnis zu beenden, so dass man sein Pferd immer mit einem guten Gefühl in den Feierabend schickt. Bei Pferden mit extremen Verhaltensweisen ist absteigen aber oft der einzige Weg, eine Sequenz ohne weiteren Kampf zu beenden.

Nun zu Punkt 2:

Das Adrenalin im Pferd braucht 20 Minuten, um abgebaut zu werden. Daran ändert man als Reiter nichts. Ein Pferd, das sich so richtig nervlich hochgespult hat, hat keine Chance wieder zurück zur ruhigen Arbeit zu finden. Das ist keine Bösartigkeit des Pferdes, sondern physisch unmöglich. In der Zwischenzeit müsste das Pferd also locker anderweitig beschäftigt werden, um eine Chance zu haben, wieder ernsthaft zu arbeiten. Das kann durch eine kleine Schrittrunde ins Gelände erfolgen oder durch auch durch lange Schrittpausen am langen Zügel.

Auch wenn ich dies sonst wirklich nicht propagiere, hilft es in diesem besonderen Augenblick dem Reiter oft, sich derweil in ein lockeres Gespräch im Plauderton mit einem Mitreiter zu verwickeln. Dies signalisiert dem Pferd, hier wird in nächster Zeit nicht gearbeitet, also „chill du mal!“ Intelligente Pferde nehmen nämlich sonst jede gefühlte Regung ihres Reiters als neuen Anlass sich hochzuspulen, weil sie gedanklich schon wieder bei der Arbeit sind und vorgreifen.

Wie es auch anders geht

Beide Varianten sind nicht besonders zufriedenstellend, denn das Kind ist dann bereits in den Brunnen gefallen. Man kann sicher lernen, sinnvoll mit dem Problem des hektischen Pferdes umzugehen, aber besser wäre natürlich, man behebt die Ursache für das Problem.

Eine schöne Möglichkeit hierzu sind die oben genannten Denkpausen.

Die Idee hierzu habe ich mir bei Westernreitern und Fantasia Reitern abgeschaut. Diese legen sehr viel Wert auf absolut entspannte Ruhephasen zwischen explosiven, aktiven Phasen. Das Pferd soll wie ein Ruhepol dastehen und innerlich Kraft schöpfen und damit einen besonders starken Kontrast zu den schnellen Phasen bieten.

Der Weg ist das Ziel

Für extrem bewegungsfreudige Pferde ist Stillstehen aber eine echte Aufgabe! Das klingt also einfacher als es ist.

Pferde denken mit ihren Füßen. Sie wollen sich intuitiv bewegen, um Stress abzubauen. Gerade bei Vollblütern sieht man im Führring regelmäßig wie schwierig es ist, die Pferde zu bändigen, die still stehen müssen und wie sehr sich die Anspannung reduziert, sobald sie gesittet Schritt gehen dürfen.

Meine Vollblüter haben regelmäßig mit Steigen reagiert, wenn man sie gezwungen hat in Stressphasen unter dem Reiter still zu stehen. Das war also erstmal keine gute Idee.

Aber das Pferd sinnfrei Rennen zu lassen, nur weil man die Konfrontation scheut, ist auch kein guter Plan. Wirklich heiße Pferde werden auch nicht von alleine müde, wenn man sie mal im Galopp gehen lässt. Das machen nur diejenigen Pferde, die mit einem Dieselmotor ausgestattet sind und selten hochblütige Pferde.

Erste Schritte zur Denkpause

Meist fällt es dem Reiter leichter das Problem vom Boden anzugehen. Der Mensch ist weniger gefordert das Pferd zu bändigen und kann durch seine Körpersprache beruhigend auf das Pferd einwirken.

Wie ich an anderer Stelle bereits erklärt habe, bin ich kein großer Freund von Natural Horsemanship (Artikel: Kommunikation statt Dominanz). Ich bitte also darum Abstand zu nehmen von Methoden wie Kopf absenken und dem Pferd mit Druck den Kopf in eine gewünschte Haltung zu drängen. Eine entspannte Haltung wird es freiwillig einnehmen, wenn es entspannt ist!

Denkpausen Longe

Ein aufgebrachtes Pferd ist für tätscheln an Gesicht und Hals oft nicht besonders empfänglich. Man sollte es also respektieren, wenn das Pferd das in dieser Situation nicht mag. Aber die ruhige Hand auf der Stirn oder dem Widerrist versteht das Pferd intuitiv als besänftigende und vertrauensbildende Geste.

Holen Sie in Episoden, wo das Pferd an der Longe anfängt, sich aufzuregen es ruhig zu sich heran. Stehen sie frontal vor ihm oder leicht zur Seite versetzt. Verlangen Sie von dem Pferd, dass es still steht und belohnen sie bereits wenige Sekunden hiervon. Führen Sie dies konsequent so durch. Atmen Sie selbst ganz bewusst ruhig ein und aus. Das Pferd nimmt ihre Körperhaltung und Gemütsfassung sehr deutlich wahr. Machen Sie sich dies zunutze.

Steigern Sie diese Pause langsam bis auf Minuten. Das Pferd muss wissen, dass diese Pausen dazu dienen runterzufahren und erst beendet werden, wenn es entspannt ist oder zumindest erduldet still zu stehen. Erwarten Sie nicht, dass ihr Pferd von verordneter Ruhe auf Anhieb begeistert ist. Es wird aber bei konsequenter Umsetzung lernen in diesen Momenten seinen Menschen als ruhenden Pol wahrnehmen, der weiß was er da tut und nicht selber in Panik verfällt. (Siehe Artikel: Wettrüsten zu Pferd)

Hat das Pferd ernsthaft Angst, so nehmen Sie seine Sorgen ernst. Verhalten Sie sich, wie es auch ein vertrauenswürdiges Pferd tut: Blick zum Problem (= wahrnehmen) und beurteilen, dann erst bewusst entscheiden, dass hier nichts Aufregendes zu sehen ist (= wieder atmen, Körperspannung reduzieren). Auch ein Pferd das Geister sieht, glaubt davon ernsthaft bedroht zu sein. Es hilft also nichts, das Problem kleinzureden, weil Sie sich damit aus Pferdesicht nur unglaubwürdig machen.

Fazit

Ich hoffe mit meinen Beobachtungen ein paar Anregungen für den Umgang mit heißen Pferden geliefert zu haben, die praxistauglich sind. Sie können dabei helfen dem heftigen Pferd den Wind aus den Segeln zu nehmen. Mit ein bisschen Zeit können auch ungestüme Pferde lernen Denkpausen zu nutzen, um ganz bewusst runterzufahren und irgendwann diesen Moment auch wirklich zu genießen.

Weiter mit einem ähnlichen Thema: Ihr Pferd hat viel zu sagen – Hören Sie zu? oder Emotionen im Zaum halten

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