Doping und Glaubwürdigkeit im Reitsport

Schlechte Nachrichten für die Vielseitigkeits-Mannschaft der Europameisterschaft in Strezgom im August 2017. Aufgrund einer positiven Medikationsprobe von Samourai du Thot wird Julia Krajewski disqualifiziert und damit die Mannschafts-Silbermedaille der Deutschen aberkannt. Bei der gefundenen Substanz handelt es sich um das Schmerzmittel Firocoxib, das laut FEI eine „Controlled Medication“ ist. Also streng genommen kein Doping, wie die deutsche Presse betont herauszustellen. Die Glaubwürdigkeit des Sports ist gefährdet.

Keiner will etwas gewusst haben und niemand kann sich erklären, wie die fragliche Substanz in das Pferd gelangt ist. Die Stellungnahme der Reiterin kann hier nachgelesen werden.

Die Glaubwürdigkeit des Reitsportes leidet

Inhalt

Es kann nicht sein, dass Championate abgehalten werden und regelmäßig wenige Wochen später durch positive Doping-Proben die Medaillen neu verteilt werden müssen. Das schadet dem Ansehen und der Glaubwürdigkeit des Sportes ganz erheblich.

Dieser Vorfall macht mich traurig und wütend.

Es geht nicht um die Medaillen (wobei ich gerade Bettina Hoy nach der Abgabe der Gold-Medaille im Jahr 2004 diese besonders gegönnt hätte). Es geht um den Ruf, den sich die Vielseitigkeitsreiter über Jahrzehnte so hart erarbeitet haben.

Die Vielseitigkeit stand immer besonders stark in der Kritik der Tierschützer. Gerade in der Vielseitigkeit hatte sich über die letzten Jahre eine scheinbar korrekte Szene etabliert, die charmant und erfolgreich zugleich war. In meiner Wahrnehmung war es ehrliche Reiterei in einem See von Heuchlern im Topsport.

So schien es jedenfalls lange Zeit. Der Vorfall um den Startplatz von Andreas Ostholt/ Julia Krawewski bei der Olympiade in Rio 2016 hatte bereits ein Geschmäckle. Der Vorfall in Strezgom mit Julia Krajewski fällt nun erneut negativ auf. Man sagt einmal ist keinmal, zweimal ist Zufall, aber dreimal ist eine Serie. Fest steht; ein drittes Mal darf sich aktuell niemand in der Vielseitigkeit erlauben! Und schon zweimal ist einmal zu viel.

Denn egal wie es zu dem Vorfall kam, es wird niemand in der Öffentlichkeit zugunsten der Vielseitigkeitsreiter differenzieren. So wie heute niemand noch fragt, was eigentlich bei dem Kachelmann-Urteil rausgekommen ist (ohne hier als Sympathisant gelten zu wollen). Kommen im Sport Pferde zu Schaden, sei es durch Unfälle oder Doping, so schrillen bei Tierschützern – zu Recht – die Alarmglocken.

Ab diesem Zeitpunkt wird nicht mehr differenziert zwischen Menschen, die Sport zu ihrem Vergnügen treiben und Reitern, die ihre Pferde im Sport verschleißen. Da sind Reiter Tierquäler, Ende der Diskussion. Das ist eine ganz gefährliche Entwicklung. (siehe auch: Vereinbarkeit von Tierschutz und Leistungssport)

Lug und Trug

Natürlich gilt gemeinhin die Unschuldsvermutung. Aber genau wie bei Politikern ist es unter Sportlern üblich geworden, nur das einzugestehen, was ohnehin zweifelsfrei nachgewiesen ist. Ich habe jedenfalls noch keinen Reiter reumütig eingestehen hören, dass er unlautere Absichten verfolgte oder gar gedopt hätte. Stattdessen gab es kreative Fügungen und treffliche Missgeschicke, die bestenfalls das Stallmanagement in Misskredit bringen, aber sicher nicht den Reiter.

Getäuscht werden nur diejenigen, die getäuscht werden wollen.

Dass Medikation ein normaler Bestandteil des (Reit-)Sports geworden ist, das weiß man als Beobachter nicht erst seit der Äußerung von Ludger Beerbaum. Sein Ausspruch „Erlaubt ist, was nicht gefunden wird“ im Jahre 2009 sorgte für gewaltige Empörung im Wendy-Lager. Die Sportreiter kennen die Problematik, die Funktionäre taten in der Presse angemessen überrascht.

Zwischen Sauber-Image und Erfolgsdruck bestehen zu müssen, stelle ich mir schwierig vor. Aber die Reiter müssen auch verstehen, dass hier mehr auf dem Spiel steht, als nur ihr eigener guter Ruf.

Klar ist auch, dass sich an den Zuständen nur etwas ändern kann, wenn ein Problem eingestanden wird.

Kuriose Gegebenheiten

Nach Maurice Tebbel/ Chacco’s Son I im August 2016 ist Samourai du Thot bereits das zweite deutsche Pferd, das durch Fremdeinwirkung bei einem wichtigen Turnier als Konkurrent ausgeschaltet worden sein soll.

Vielleicht sagt den aktiven Reitern einfach mal Jemand, dass WLAN-Kameras heutzutage preisgünstig zu erstehen sind und bedrohliche Überwachungslücken zu 100% schließen könnten. Ich persönlich erwarte in Zukunft einen Hochsicherheitstrakt rund um die Pferdeställe. Anders könnte ohnehin kein echter Pferdemensch mehr ruhig schlafen, wenn dort tatsächlich Unbekannte ihr Unwesen treiben. Das wäre das Mindeste, um die Glaubwürdigkeit wieder herzustellen.

„Wer profitiert?“ ist üblicherweise die erste Frage, die man sich stellen sollte. Wer hat etwas davon No-Names auszuschalten, wenn es klare Favoriten gibt? Es bleiben für meinen Geschmack zu viele Fragen offen. Man treibt Schindluder im Stall, so viel steht zweifelsfrei fest. Wer dafür verantwortlich ist, wird sich nicht klären lassen.

Medikation als Dauerlösung

Wer sich nicht vorstellen kann, was Schmerzmittel und Entzündungshemmer im täglichen Training eines Sportpferdes zu suchen haben, dem fehlt der Einblick. Der Spitzensport verlangt den Pferden heute mehr ab als jemals zuvor und dies in hoher Frequenz. Mit nur einem Top-Pferd ist es beinahe unmöglich da mitzuhalten. Diejenigen Pferde, die es auf dieses Niveau schaffen, sind rar und können nicht beliebig ausgetauscht werden. Es lohnt mitunter diese in Gang zu halten und dieser Anreiz ist genug für kreative Blüten.

Es fallen im Sport vermehrt Pferde auf, die zyklische Schaffenspausen einlegen und nur zu großen Events ihre Top-Leistungen abrufen. Man spricht dann gemeinhin von einem dosierten Einsatz. Es gibt Pferde, die auf regelmäßige Medikation angewiesen sind, um den Belastungen standzuhalten. Bei Doping Kontrollen im Pferdesport werden regelmäßig per Zufalls-Prinzip wenige Wirkstoffe getestet. Das Risiko der Entdeckung kann sich mit diesem Wissen jeder selbst ausmalen.

Glaubwürdigkeit sieht anders aus. Ich persönlich finde Sport, der ein Pferd nicht schöner und widerstandsfähiger werden lässt, sondern dauerhaft krank macht, ist Missbrauch. Aber ich bin (gottlob und ganz bewusst) nicht von den Erfolgen meiner Pferde finanziell abhängig.

Weiter mit einem ähnlichen Thema: Vereinbarkeit von Tierschutz und Leistungssport oder Warum bleiben die Zuschauer beim Bundeschampionat aus?

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