Rückbesinnung auf alte Werte – Althengste nutzen

Viele Züchter haben offenbar bei der Wahl des Deckhengstes mehr Mut zum Risiko als Bewusstsein für Tradition. Junghengste decken in Deutschland jedenfalls erheblich mehr Stuten als ein bewährter Althengst. Die Nutzung von Althengsten hat dennoch erhebliche Vorzüge, die es zu unterstreichen gilt.

Chancen und Risiken der Beurteilung von Hengsten in jungen Jahren

Inhalt

Lange Jahre haben Zuchtverbände aktiv die Nutzung von Junghengsten angepriesen und eine kurze Generationsfolge als automatischen Zuchtfortschritt dargestellt. Natürlich ist biologisch betrachtet eine schnelle Generationsfolge notwendig, um schnellstmöglichen Zuchtfortschritt zu erreichen.

Aber deswegen ist ein Althengst kein automatischer Rückschritt. Denn wer auf den falschen Hengst setzt, der wird herbe Rückschläge erfahren. Von daher scheint es leichtsinnig davon auszugehen, dass die Qualität eines Hengstes sich im Jungpferdealter bei der Begutachtung von Statthaltern offenbaren wird (Vorstellung an der Hand oder Freispringen statt aktivem Reitsport). Die wenigsten späteren Grand Prix Pferde haben bereits bei Jungpferdeveranstaltungen die Massen auf sich aufmerksam gemacht.

Während dieses Problem vor allem dem Dressursektor zugesprochen wird, wenden sich in Zeiten schwieriger Vermarktung auch die Springpferdezüchter immer öfter einem vielbesprochenen Junghengst zu. Im europäischen Ausland wird auf bewährte Vererber und Althengst gesetzt, während in Deutschland dem nächsten Hype nachgelaufen wird. Der Run auf den nächsten Körsieger und „Publikumsliebling“ erstaunt Jahr für Jahr. (siehe auch: Wenn Züchter reiten würden)

Vermarktung als Argument

Überhaupt sind manche Hengststationen auf dem Weg eines Deckhengstes (Körung, Hengstleistungsprüfung, Bundeschampionat) weniger gut darin Topsportler zu identifizieren. Die Stationen im Leben der Deckhengste sind zum Vermarktungs-Selbstzweck geworden, beziehungsweise dienen zur Eigendarstellung. Häufig trifft es zu, dass die Besten gar nicht erst gezeigt werden. Dennoch ist es ein idealer Ort, um Nachzucht in Augenschein zu nehmen, Tendenzen zu erkennen. Missen möchte man solche Veranstaltungen als aktiver Züchter dann doch nicht.

Der besondere Charme eines Althengstes ist, dass sein bevorzugt bekannter Name meist gut vermarktbar ist (siehe auch: Pedigree als Label). Im Idealfall ist der Althengst positiv besprochen. Die schiere Anzahl der direkten Nachkommen und Enkel kann aber die Nachfrage erdrücken. Der ein oder andere Liebhaber erinnert sich gern, aber irgendwann kommt der Tag, wo man sagt, der Hengst habe seine Zeit gehabt.

Beispiel Stakkato – ein Vererber, der über Jahre die Zuchtstatistik der FN angeführt hat und unter den Top Ten mit seinen Söhnen Stolzenberg, Stakkato Gold und Stalypso auftrumpfen kann. Wenn man sich aber mal ansieht, was auf internationalem Parkett über die Jahre von dem Hengst übrig geblieben ist, so sieht es mager aus. Satisfaction I, Souvenir und Spartacus seien als überzeugende Sportler erwähnt, aber bilden nur eine recht einsame Spitze der Stakkato-Nachkommen im Spitzensport. Lange gehalten haben sie alle nicht. Der Topsport verlangt den Pferden viel ab und im WBFSH-Ranking bleibt nicht viel von Stakkato übrig, trotz erheblicher Bedeckungszahlen.

Nun hat auch Stakkato viele Positiv-Aspekte mitgebracht, über die man nicht hinwegsehen braucht. Aber dies ist ein gutes Beispiel für einen Hengst, der züchterisch alle Chancen erhalten hat und dessen Nachkommen auf internationalem Level nicht gehalten haben, was sie in Jungpferdeprüfungen versprachen.

Aufs falsche Pferd gesetzt?

Nun, kein Hengst liefert nur Nachkommen für den Topsport und sehr wenige Hengste liefern diese in hoher Dichte. Tatsächlich mag es auch nicht verwerflich sein, nach anderen Qualitäten zu schielen, als nur die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Hengst seinen Nachkommen S-Erfolge beschert. Der beste Althengst nutzt ohnehin nichts, wenn er nicht zur Stute passt.

Ohne die oberen ein Prozent der Namen einer Ranking-Rangfolge auszukommen und dennoch Topsportler zu produzieren, das spricht für züchterischen Weitblick. Die Rankings nicht weiter zu beachten, kann aber auch nicht die Lösung sein. Selbstverständlich werden hier hilfreiche Tendenzen deutlich.
Die Hengste, deren Nachkommen zu mehr als 20% im S-Springen auftauchen, werden oft erschreckend massiv genutzt. Diese überproportionale Nutzung lässt züchterische Selektion oder gar Weitblick vermissen.

Zur Nutzung von Junghengsten habe ich mich bereits geäußert. Junghengste müssen mit guten Stuten Chancen erhalten sich zu beweisen. Aber eigentlich sind doch diejenigen, die mit mäßigen Stuten oder im züchterischen Abseits überzeugen, diejenigen, die für die Zucht wirklich wertvoll sind.

Wann wird ein Althengst interessant?

Pferdezucht hat das Problem von sehr langen Generationsintervallen.

Ein Hengst fängt mit ca. 8 Jahren erstmals an interessant zu werden, wenn seine ersten Nachkommen im Turniersport (Springen) ankommen. Die Hengste selbst sind bis dahin in Sachen Eigenleistung bei entsprechender Förderung in der Klasse S angekommen. Das ist darüber hinaus ein ideales Alter, um bereits erste Satteleindrücke der Nachkommen zu erhalten und die sportliche Entwicklung des Hengstes voll einsehen zu können.

Erst wenn der Hengst sehr viel älter ist (ab ca. 12 Jahren) und seine ersten Jahrgänge sich in der Klasse S bewiesen haben, können Vererbungstendenzen abschließend beurteilt werden.

Zum Erhalt einer guten Stammstute zum weiterzüchten ist ein etablierter Hengst unabdingbar, denn manche Qualitäten sind trotz aller bekannten Makel immer modern. Daher ist der zeitlose Klassiker unter den Hengsten meist ein guter Lieferant von Mutterstuten. Klangvolle Namen auf Mutterseite sorgen für ein gutes Renommee.

Zusammenhänge zwischen Alter der Elterntiere und Leistungsfähigkeit

Bei aller Diskussion um Qualität geht es in der Zucht auch um Zuchtfortschritt. Der ist rein biologisch betrachtet am höchsten, wenn die Elterntiere jung sind. Aus der Rennpferdezucht, ist bekannt, dass junge Elterntiere statistisch betrachtet den sportlich erfolgreicheren Nachwuchs zeugen.

Auch wenn es hart klingt: Aus genetischer Sicht geht es oberhalb der 11 Jahre für Hengst wie Stute rapide bergab.

Solche Überlegungen kann der kleine Züchter selten berücksichtigen, weil es nicht ausbleibt, dass eine gute Zuchtstute im Laufe ihrer Zuchtkarriere kontinuierlich älter wird. Dennoch ist es ein Faktor, der von umsichtigen Züchtern bedacht werden kann. Gerade bei einer älteren, womöglich sporterprobten Zuchtstute, kann es daher wirklich Sinn machen auf einen jüngeren Hengst zu setzen.

Weiter mit einem ähnlichen Thema: Doppelvererber – Auszeichnung oder Makel? oder Modetrends in der Pferdezucht

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