Die Anpaarungs-Entscheidung

Ich bin vor kurzem von einem absoluten Pferdelaien (und Akademiker) gefragt worden: „Warum so eine Wissenschaft aus einer Anpaarung machen? Würden nicht sehr viele Hengste mit deiner Stute ein tolles Fohlen bringen?“ Und Recht hat der Mann, das würden vermutlich einige Hengste schaffen! 😉

Aber ich konnte mich nicht dazu durchringen, seine Mutmaßung rundheraus zu bestätigen. Denn wozu mache ich mir als Züchter alle diese Gedanken, wenn nicht aus der Überzeugung heraus, alleine meine fachmännische Wahl des Hengstes könne so tolle Fohlen hervorbringen?

Meine Antwort lautete: „Anpaarungsentscheidungen sind keine Wissenschaft, sondern Kunst“.

Der Laie schmunzelte. Mir gefällt die Antwort, denn das trifft es wohl am ehesten. Es gibt keine Anleitung „in X Schritten zum Traumhengst“. Diesen Denkprozess, das überlegte Abwägen von für und wider, die volle Überzeugung zu der eine erste Idee heranreift, das macht eine gute Zucht aus.

Hier ein Einblick in die wichtigsten Eckpunkte einer solchen Überlegung.

Teil I – Die Beurteilung der Stute

Inhalt

Denn genau hier unterscheidet sich der durchdachte Züchter vom planlosen Vermehrer. Es wird eben nicht der nächstbeste/ günstigste Hengst aus der Nachbarschaft gewählt. Es werden sorgsam Informationen erhoben, Hengste verglichen, Stärken und Schwächen überdacht, und ja, wohlmöglich ist auch ein bisschen Eingebung dabei im Spiel. Aber das kann wohl kaum als Glücksfall, sondern eher als „qualifiziertes Bauchgefühl“ gewertet werden.

Der weise Züchterspruch „in Generationen denken“ spiegelt diese Grundhaltung wider. Die Zuchtziele in der Sportpferdezucht müssen Schritt für Schritt in Angriff genommen werden. Wer alles auf einmal verbessern will, der wird sein Ziel nicht schneller erreichen, sondern vielmehr offene Baustellen hinterlassen. Es gilt einen kritischen Blick für die Schwächen der Pferde zu entwickeln, um die richtigen Weichen für die weiteren Generationen zu stellen.

Wer Perfektion in der Sportpferdezucht anstrebt, hat bei dieser Anspruchshaltung ungeachtet der Qualität seiner Pferde immer einen weiten Weg vor sich. Es gibt immer was zu tun! Denn wer seine Nachzucht mit kritischem Blick prüft, wird auch immer Schwächen finden, die es zu verbessern gilt.

Nach welchen Kriterien sucht man also einen Hengst aus? Es gibt nicht den einen richtigen Weg.

Jeder Züchter trifft seine Anpaarungsentscheidungen mit einem anderen Zuchtziel vor Augen und daher mit seinen ganz eigenen Schwerpunkten. Ob nun eher die Sportleistung des Vaters den Ausschlag gibt, das Bauchgefühl des Züchters, oder die Marktkonformität des Hengstes, hängt sehr mit dem individuellen Zuchtziel zusammen.

Der Hengst soll in erster Linie zur Stute passen!

Die meisten Zuchteinsteiger machen den Fehler einen Hengst zu suchen, der ihnen gefällt und nicht so sehr einen Hengst, der zu Stute und Zuchtziel passt. Bei der Einschätzung welche Punkte der Hengst ausgleichen soll, hilft es ungemein zu wissen, wie sich die Stute oder ihr Stamm bislang vererben. Dabei helfen wohlmöglich folgende Fragestellungen:

  1. Welche Defizite hat die Stute? Welche Stärken zeichnen sie aus?
  2. Gibt es eine rote Linie in der Vererbung der Stute, oder sehen alle Nachkommen unterschiedlich aus? Inwiefern ähneln die Nachkommen sich im Bewegungs- bzw. Sprungablauf?
  3. Mit welchen Blutlinien lassen sich in diesem Stamm bisher Passereffekte erzielen? (gekörte Hengste & Sportler aus dem Stamm) Für welche Qualitäten stehen diese passigen Hengste?
  4. Gibt es Topsportler/ gekörte Hengste mit ähnlicher Blutführung, bzw. mit dieser Kombination der Hengstlinien? Warum funktioniert diese Kombination so gut?
  5. Der erste Blick fällt auf die eigene Stute, denn sie ist der Ausgangspunkt aller Überlegungen. Welcher Hengst könnte nun zu dieser Stute passen? Woran macht man das überhaupt fest?

Es bietet sich ein Hengst an, der die Defizite der Stute zu beheben imstande ist. Es sollte also ein Hengst gewählt werden, dessen eigene Positiveigenschaften dort liegen, wo die Stute ihre Schwächen hat. Der Hengst sollte auf keinen Fall dieselben Schwächen teilen wie die Stute. Unglücklich nur, dass man als Züchter nie mit letzter Sicherheit davon ausgehen darf, dass diese Überlegungen sich auch im Zuchtprodukt wiederspiegeln werden.

Generell kann man auch sagen: Je ähnlicher sich die Ausgangstiere einer Anpaarung in äußerlichen Punkten sind, desto wahrscheinlicher, dass ihre Fohlen genau diese Optik vererbt bekommen. Das führt uns gleich zum nächsten Punkt:

Anpaarung von Extremen vermeiden

Ein Beispiel hierfür wäre eine schwere Stute an einen leichten Vollblüter anzupaaren. Oder aber eine Stute mit langer, weicher Rückenlinie zu einem Hengst mit strammen kurzen Rücken zu bringen. Der Hengst soll also nicht das Gegenteil verkörpern von der Stute.

Aber der Gegensatz scheint doch der einfachste Weg zu sein, um schnelle Erfolge zu erzielen? Das Problem ist, dass die Vererbung durch solch ein Vorgehen unvorhersehbar wird. Wer sich mit der Mendel und seiner Vererbungslehre befasst hat, erinnert sich sicher an das Beispiel mit den Erbsen. Die Zuteilung der Gene kann nicht vorhergesehen werden, je mehr verschiedene Kombinierungs-Optionen den Genen bleiben, desto weitläufiger die Unterschiede bei den Nachkommen. So könnte das Fohlen in unserem Beispiel von lange bis kurz so ziemlich jede Rückenlänge aufweisen, je nachdem ob es mehr nach dem Vater oder nach der Mutter kommt.

Darüber hinaus würde sich die Vererbung dieses Tieres in der Folgegeneration völlig verselbstständigen. Es entstehen Nachkommen mit langen, kurzen oder mittleren Rücken.

Wer hingegen einen Hengst wählt, der die Stute gut ergänzt, ohne ein anderes Extrem darzustellen, der hat in der Folgegeneration mit hoher Wahrscheinlichkeit einen besseren Rücken. Ein Mittel aus Stute und Hengst sozusagen. Somit nähert der Züchter sich –unter Beibehaltung dieses Merkmals in der Hengstauswahl- in den weiteren Generationen dem Ideal weiter an. Dies geschieht bis zu dem Punkt, wo man wieder einen Hengst mit suboptimaler Rücklinie wählen kann, weil die Stute diese Schwäche nun selbst ausgleichen kann. Aus der Schwäche wurde aufgrund züchterischer Selektion eine Stärke.

Selektion ist das Zauberwort!

So hart es klingen mag, aber nur harte Selektion und gnadenlose Ausmerzung (d.h. die Auswahl der Besten und rigorose Ausmusterung von Mittelmaß aus der Zucht) bringt den Züchter voran. Ein Züchter muss sich festlegen, welche Eigenschaften ihm für sein Zuchtziel besonders wichtig sind.

Das betrifft auch die Leistungsorientierung einer Zucht. Ein Züchter sollte was Leistung angeht keine Kompromisse eingehen und ein klares Schwarz/ Weiß Denken anstreben. Das heißt, entweder Weiß (= Olympia-Kandidat) zum Zuchtziel deklarieren, oder schwarz (= Freizeitkumpel). Denn das graue Mittelmaß, also das Sportpferd für Amateure auf L/ M-Niveau, braucht man nicht gezielt zu züchten. Es fällt von ganz alleine an, wenn das Zuchtziel Weiß angestrebt wird, aber die Nachzucht diesen hohen Erwartungen nicht genügt.

Nicht zu Unrecht sagt man in Züchterkreisen: Ein Sportpferd wird gezielt gezüchtet, aber ein Olympia-Pferd wird einfach geboren. Es spielen noch so viele Einflüsse eine Rolle, dass alle zu kontrollieren gänzlich unmöglich ist. Man kann nur sein bestmögliches geben.

Es soll bei aller Selektion natürlich nicht die alleinige Aufgabe des Hengstes sein die Defizite der Stute auszugleichen. Letztlich bestimmt die Qualität der eingesetzten Stuten den Erfolg einer Zucht. Denn während ein Hengst, alleine um in die Zucht zu gelangen, schon zu den Besten seines Jahrgangs gehören muss, so sind die Auswahlkriterien bei Stuten deutlich weniger Leistungsdruck unterlegen. Daher gilt tatsächlich: Je besser die Stute, desto erfolgreicher zumeist die Zucht.

Viele Züchter gehen sogar noch einen Schritt weiter. Bei einer Stute aus einem hocherfolgreichen Stutenstamm können deutlich mehr Schwachpunkte in Kauf genommen werden. Das liegt daran, dass für den Züchter -anders als für den Reiter- der Phänotyp (Optik) weniger zählt als der Genotyp (Genetik). Wie eine Zuchtstute aussieht ist nämlich weniger wichtig als das was sie vererbt. Alleine die Qualität ihrer Fohlen bestimmt ihren Wert als Zuchtstute.

Praktische Erwägungen bei der Hengstauswahl

Die Marktsituation darf ein Züchter bei aller Überzeugung für einen bestimmten Hengst nicht ganz aus den Augen verlieren, wenn das Zuchtprodukt für den Verkauf bestimmt ist.

Die Wahl eines Hengstes ist in der Pferdezucht oft ganz anderen Faktoren unterworfen als nur Qualität des Vatertiers. Dies kann aus züchterischer Experimentierfreude geschehen oder durch Marktzwänge, Alter und Bekanntheitsgrad des Hengstes spielen eine Rolle, sowie freundschaftliche Beziehungen zum Hengsthalter und natürlich die Marktsituation insbesondere für männliche Nachkommen eines Hengstes. Es kann genauso entscheidend sein, dass bei einem anderen Hengsthalter noch Deckgeld-Gutschriften offen sind.
Zu guter Letzt kann das Fohlen die Erwartungen nicht erfüllt haben. Nicht jeder Züchter wird dieses Versagen offen eingestehen wollen, insbesondere wenn es gilt noch einen Käufer für eben dieses Fohlen zu finden.

Teil II – Die Beurteilung der Nachkommen

Wie gut ist das Fohlen wirklich?

Eine gelungene Anpaarung bedeutet, dass das Fohlen in der Qualität besser ist als mindestens eins seiner Elterntiere. Eine der wichtigsten Fragen für einen Züchter ist daher, ob der Nachwuchs einer Stute besser, schlechter oder gleichwertig im Vergleich zu der Stute selbst ist.

Dafür ist zudem entscheidend, wie diese Beurteilung im Verhältnis zur Gesamtqualität der Population steht. Denn eine Stute, die selbst bereits das Optimum verkörpert, kann mit gleichwertiger Nachzucht durchaus noch bessere Fohlen bringen, als eine mittelmäßige Stute mit deutlich verbesserter Nachzucht. Es lohnt sich daher meist in qualitätvolle Zuchtstuten zu investieren.

Trotz aller Experimentierfreude ist Qualität das oberste Ziel einer Sportpferdezucht. Hat eine Anpaarung die Erwartungen übertroffen, so ist es wohl naheliegend eine Wiederholung zu erwägen. Ein besonders gutes Ergebnis mit einem Hengst sollte schließlich reproduzierbar sein und dann auch möglichst einheitlich gut ausfallen. Dann hätten wir eine sogenannte Passerpaarung, wo die Fohlen einheitlich deutlich besser ausfallen als die Halbgeschwister.

Aber weil selbst Vollgeschwister in ihrer Qualität ganz unterschiedlich ausfallen können, birgt der Versuch der Wiederholung ebenso eine Chance wie die Möglichkeit der Enttäuschung. Was tun, wenn die Qualität des Fohlens nicht die des Vorgängers heranreicht?

Die zu erwartende genetische Vielfalt und ihre Ausprägungen lassen sich eben nicht zweifelsfrei vorhersagen. Andererseits könnte das Fohlen auch noch besser ausfallen. Bei jedem überdurchschnittlichen Fohlen stellt sich somit auch die Frage: Ist das Maximum bereits erreicht, die Vererbungskraft der Stute ausgereizt? Darf man sich überhaupt noch eine Steigerung aus dieser Anpaarung erwarten?

Einheitlichkeit der Vererbung

Die Vererbung eines jeden Pferdes unterliegt Streuungen. Diese Abweichungen voneinander sind bedingt durch genetische Varianz und Umwelteinflüsse.
Genetische Varianz bezeichnet die Bandbreite der phänotypischen Ausprägung bei identischer genetischer Vorgabe. Diese Streuung in der Ausprägung der äußerlichen Form dient in freier Natur dem Arterhalt. Eine Weiterentwicklung oder Anpassung der Spezies an einen sich wandelnden Lebensraum durch genetische Varianz bietet Überlebensvorteile.

Darüber hinaus ist die Ausprägung der Gene ohnehin immer eine Mischung zwischen genetischer Vorgabe und Umwelteinflüssen. Man denke in der Pferdezucht an erworbene Schwächen, wie einen Bockhuf oder Verstellungen der Gliedmaßen aufgrund mangelnder Hufpflege. Es wäre falsch solche Makel der Genetik eines Pferdes anzulasten.

Die Ausprägung einer genetischen Information ist übrigens auch bei genetisch identischen Individuen niemals ganz gleich. Selbst ein Klon kann daher ganz anders aussehen als das Original! In der Pferdewelt wird dies eindrücklich durch ET und seinen Klon demonstriert.

Eine Anpaarung mit denselben Elterntieren führt daher jedes Mal wieder zu einer neuen Kombination der Gene. Die Unterschiedlichkeit mancher Vollgeschwister belegt die mögliche Streuung der Ausprägungen der Vererbung eindrucksvoll. Ein einzelner sehr guter Nachkomme ist daher streng genommen nicht besonders aussagekräftig für die Vererbungsstärke eines Zuchttieres.
Auch Pferde mit sehr ähnlichem Blutaufbau können – sehr zum Leidwesen des Züchters – sehr unterschiedlich aussehen. Aber nicht nur die Optik, sondern auch die Leistungsfähigkeit muss bei Vollgeschwistern beileibe nicht identisch sein!

Ein echter Jammer für den Sportpferdezüchter, aber Uneinheitlichkeit in der Vererbung ist erst mal ein ganz natürliches Phänomen.

Nun gibt der moderne Sportpferdezüchter nicht viel auf Genetische Vielfalt zum Wohle des Arterhalts, sondern hat meist sehr klare Vorstellungen davon, wie ein Sportpferd auszusehen hat. Aber nur wenige Individuen sind in der Lage in ihrer Vererbung sehr einheitliche Produkte zu bringen. Das nennt der Züchter „stempeln“ in der Vererbung bzw. es ist von einem Stempelhengst die Rede.

Teil III – Die Beurteilung der Vererbungsleistung

Soweit die Theorie.

In der Praxis stellen die langen Generationsintervalle in der Pferdezucht den Züchter vor Schwierigkeiten. Pferde können nun einmal frühestens 3-jährig erste Eindrücke unter dem Reiter liefern. Die Aussagekraft ist bei Springpferden ist sogar noch bis mindestens zum 5. Lebensjahr deutlich herabgesetzt.

Im Idealfall bringt eine Stute jährlich gesunde Fohlen von verschiedenen Hengsten zur Welt. Bevor eine Beurteilung der Nachkommen als Sportpferde realistisch betrachtet stattfinden kann, gehen Jahre ins Land. Bis dahin sind in Züchterställen bereits weitere Anpaarungsentscheidungen getroffen worden.
Auch ohne gesundheitliche Ausfälle geraten Verkaufspferde aufgrund der räumlichen Distanz aus den Augen. Für eine abschließende Beurteilung der Nachzucht werden also stets Verkauf in „fördernde Hände“, objektive Beurteilungsmaßstäbe (Turnierstarts), Kenntnis über Erfolge (Problematik Abverkauf ins Ausland) und natürlich Gesundheit beim Pferd vorausgesetzt.

Bevor erste Sporterfolge der Nachkommen einen wirklich aussagekräftigen Schluss zulassen, gehen regelmäßig viele Jahre bis Jahrzehnte ins Land. Die Beurteilung der Vererbungsleistung einer Stute ist ein langer Prozess und unterliegt wohlmöglich noch sich wandelnden Erkenntnissen.

Wohl dem Züchter, der seinen Stamm schon seit Generationen pflegt oder auf die Erfahrungen anderer Nachkommen aus diesem Stamm zurückgreifen kann!

Pretty is as pretty does – Rückbesinnung auf innere Werte

Hier scheiden sich die Geister, denn Schausieger sind eine Sache, Reitpferde eine ganz andere! Viele Eigenschaften des Reitpferdes lassen sich durch Muskelaufbau erreichen, durch Kraft überbrücken oder durch geschicktes Reiten kaschieren. Manche Eigenschaften lassen sich an ein Pferd aber nicht dranreiten.

Fleißiges Abfußen, Takt, Antritt und natürliches unter den Schwerpunkt fußen sind – obwohl erstmal unspektakulär – für den Erfolg eines Reitpferdes wichtiger, als die spektakuläre Bewegungsmechanik, die Siegerfohlen bringt.

Eine Einschätzung der Qualität im Fohlenalter birgt gewisse Risiken. Wer Reitpferde züchtet, möchte womöglich nicht den Fohlenmarkt bedienen oder überhaupt marktkonform züchten. Die unterschiedlichen Anforderungen an Material- und Ausbildungspferde spaltet vermehrt die Züchterschaft.

Schlechte Absatzsituationen lassen den Fohlenmarkt immer attraktiver erscheinen. Da ist es nicht verwunderlich, wenn Züchter „altmodische“ Abstammungen und Vererber, die ihren Nachkommen Schädel statt Schnabel mit auf den Weg geben, zunehmend meiden. Nun gibt es sicher auch gute Gründe, warum manche Linie aussterben und andere erhalten bleiben, aber ein Mangel an Frühreife und Schönheit sollte nicht dazu gehören.

Nicht so überzeugt?

Es kann einem Züchter natürlich auch passieren, dass eine vielversprechende Anpaarung vornimmt und das Fohlen erst einmal nicht restlos überzeugt. Da steht es nun, das Fohlen ohne erkennbare Highlights, die die vorhandenen Schwächen überstrahlen könnten.

Hässliches Entlein?

Nun wird ein kurzbeiniges, unmodernes Pferd, das bereits im Fohlenalter als solches zu erkennen ist, selten zu einem hochbeinigen Model heranwachsen. Aber Kurzbeinigkeit mit starkem Motor in der Hinterhand ist mitunter funktional für ein Dressurpferd, auch wenn es Adel vermissen lässt.

Ist das unspektakuläre, brave Fohlen einfach nur ein spätreifes Individuum, das später im Sport trotzdem seinen Weg gehen wird? Ein Pferd, das eher durch Lockerheit und Nervenstärke überzeugt, als mit den ganz großen Bewegungen? Oder war die Hengstauswahl trotz reiflicher Vorüberlegung des Züchters einfach nicht ideal für diese Stute?

Noch schwieriger wird es, wenn bei der Beurteilung des Fohlens Faktoren negativ auffallen, die erworben sein könnten (Hirnschaden bei der Geburt, starke Verstellungen durch Überlagerung der Beine im Mutterleib) oder eine Beurteilung unmöglich machen (Verletzung oder früher Tod des Fohlens). Ist hier eine Wiederholung der Anpaarung angebracht? Es mag durchaus sein, dass das zweite Fohlen aus dieser Anpaarung ohne negative Umwelteinflüsse deutlich besser da steht. Oder ist man abergläubisch und sagt es hat wohl nicht sollen sein?

Teil IV – Die Anpaarungswiederholung

Statt sich mit jeder Anpaarung wieder auf ein neues Abenteuer auf der Suche nach dem perfekten Hengst einzulassen, ist es aber manchmal die geschickteste Wahl auf Bewährtes zu vertrauen. Jede Anpaarungsentscheidung ist von Experiment und Besinnung geprägt.

Das wirft die Frage auf: Wann sollte man eigentlich eine Anpaarung wiederholen? Gibt es dafür überhaupt universell gültige Bewertungskriterien?

Die methodische Wiederholung

Manche Züchter schwören darauf einen Hengst grundsätzlich mindestens für zwei Bedeckungen zu nutzen. Um sicher zu gehen, dass ein gutes/ schlechtes Fohlen nicht dem Zufall geschuldet war.

Bei einer neuen Zuchtstute sollte man nach dieser Überzeugung erst einmal mehrere verschiedene Hengste einsetzen, um einen Überblick über das Vererbungspotential der Stute zu bekommen. Erst wenn die mütterlich geprägten Qualitäten sich in der Nachzucht herauskristallisieren, sollten Wiederholungen mit dem Vater des besten Nachkommens angestrebt werden.

Ideal wäre demnach eine Wiederholung der Anpaarung zu einem Zeitpunkt, wenn eine sichere Bewertung der Nachkommen als Reitpferde möglich ist. Das klingt in der Theorie gut. Aber der Pferdemarkt unterliegt einem ständigen Wandel. Hengste werden ins Ausland verkauft, kastriert, wegen Sporteinsatz nicht mehr in der Zucht eingesetzt oder versterben altersbedingt. Alle diese Faktoren können solche Pläne zunichtemachen. Der Züchter weiß dann zwar sicher, welcher Nachkomme sein bestes Zuchtprodukt war. Aber der Vater ist mittlerweile nicht mehr als Deckhengst verfügbar. Das wäre doch zu ärgerlich!

Wenn bereits das erste Fohlen einer Stute sehr überzeugend ist, so muss der Züchter sich auch die Frage stellen, ob dies an der goldrichtigen Hengstwahl oder allein an der hohen Qualität der Stute liegt. Wenn die Stute nämlich richtig gut vererbt, könnte sie mit jedem anderen Hengst ein ebenso überdurchschnittliches Fohlen bringen. Ein Hengstwechsel könnte dann auch bei einem gelungenen Fohlen ratsam sein, weil die Anpaarung mit einem anderen Hengst noch erfolgreicher sein könnte. Wer aber konsequent methodisch vorgeht, dürfte sich von einem herausragend guten Fohlen ohnehin nicht in von dem geplanten Hengstwechsel abbringen lassen.

Passt der genutzte Hengst zu einer anderen Stute (besser)?

Grundsätzlich finde ich die Gleichmacherei, die Züchter betreiben, wenn sie alle ihre Stuten von ein und demselben Hengst decken lassen regelmäßig befremdlich. Dieses Gießkannenprinzip nach dem Motto „es wird schon irgendwo passen“ ist mir nicht nachvollziehbar. Wo ich doch – trotz allen optischen Ähnlichkeiten meiner Vollblutstuten – immer darauf bedacht bin herauszustellen, wie unterschiedlich sie sind.

Nun kann sich bei der Beurteilung eines Fohlens aber dennoch die Erkenntnis einstellen, dass das, was das Fohlen aus der einen Stute noch an Schwächen aufweist, in der bisherigen Nachzucht einer anderen Stute herausragend gut ausgefallen ist. Es wäre also anzunehmen, dass der ausgewählte Hengst auch zu einer anderen Stute gut passen würde.

Eine Überprüfung dieser Theorie auf Richtigkeit sagt dem Züchter gleichzeitig, ob die Vererbungskraft der Stute hinsichtlich dieses Merkmals stark genug ist, um eine eventuelle Schwäche des angepaarten Hengstes auszubügeln. Dann macht eine Anpaarung an eine andere Stute aus dem Bestand des Züchters mitunter wirklich Sinn.

Weiter mit einem ähnlichen Thema: Das Pedigree in Theorie und Praxis oder Ein Fohlen aus der eigenen Stute

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