Dressur naturgemäß

Ein alter Lehrspruch besagt: Die Dressur ist für das Pferd da, nicht das Pferd für die Dressur. Entgegen landläufiger Meinung sollte Dressur nichts mit dressieren zu tun haben. Dies ist ein Plädoyer für die Dressur, denn es geht im Kern um die Gesunderhaltung des Sportpartners Pferd.

 

Zielrichtung der Dressur

Inhalt

Die Dressur ist nicht als Selbstzweck vorgesehen. Die dressurmäßige Arbeit des Pferdes ist die Basis einer jeden Ausbildung, unabhängig der danach angestrebten Reitsportdisziplin.

Das Ziel ist es immer, die vorhandene natürliche Schiefe, die Händigkeit sowie die Vorhandlastigkeit des Pferdes soweit zu kontrollieren, um das Pferd durch seine Reiterei nicht zu schädigen. Die gezielte Gymnastizierung baut das Pferd auf und hält es gesund. Die gefragten Lektionen sollen Geschmeidigkeit erhalten und dienen der Etablierung einer feinen Kommunikation zwischen Reiter und Pferd.

Eine reiterliche Ausbildung dient dazu, jedes Pferd, gleich welcher Abstammung, in die Lage zu versetzen, über sich selbst hinaus zu wachsen. Es gilt die natürliche Veranlagung zu fördern und im Idealfall Tragkraft zu entwickeln. Es geht darum, Perfektion auf nicht perfekten Pferden zu erreichen. Der Anspruch ist es, ein Pferd zu erhalten, das seine sportliche Leistung bis ins hohe Alter erbringen kann und dabei von zunehmender Stärke geprägt ist.

Störfaktoren

Auf dem Weg zu dem perfekten Dressurpferd stören im Regelfall eins von zwei Dingen:

  1. Mangel an Können des Reiters
  2. Wunsch nach Erfolg im Turniersport

Das Können des Reiters

Ohne den richtigen Reiter geht es nicht. Reiter sind oft nicht Willens den langen Weg zu einem solide ausgebildeten Pferd zu nehmen und suchen nach Abkürzungen. Hinzu kommt das Problem, dass wo Wissen aufhört, Gewalt Anwendung findet.

Ein weiteres Problem ist der Mangel an Vorbildern im Sport, die mit wahrlich vorbildlichem Verhalten glänzen. Man sucht in der Praxis oft lange und mitunter vergeblich nach wirklich erstrebenswerten Vorbildern. Das führt wiederum zu einem Mangel an Anspruch der Nachwuchsreiter den steinigen Weg der korrekten Reitlehre zu befolgen.

Der Topsport wirkt auf Reitschüler unnahbar. Zum Vorbild brauchen Reiter natürlich nicht nur große Erfolge sondern auch eine entsprechend charismatische Ausstrahlung. Diese sollte möglichst flächendeckend über Social Media geteilt werden, sonst bekommt man die guten Taten schließlich nicht mit. Tue Gutes und rede darüber passt auch hier.

Um Interesse bei Medien und Publikum zu erhalten, braucht man attraktive Vorbilder, die für das Pferd leben. Im Idealfall sollten deren Pferde so viel Spaß am Sport haben wie ihre Reiter.

Stattdessen sieht man vielfach verbissene Reiter, die Pferde in Haltung pressen, damit sie funktionieren. Unter Aspekten von Takt und Losgelassenheit mangelhaft vorgestellte Pferde werden in Dressurstadien bejubelt wie Rockstars.

Wunsch nach Erfolg im Turniersport

Ein weiteres Hindernis auf dem Weg zum gesunden Sportpferd ist die Kommerzialisierung des Reitsportes. Die ehemals klare Zielsetzung des Reiters sich der Ausbildung des Pferdes zu widmen verschwindet, wenn Schleifen und gar Medaillen in Reichweite kommen.

Extreme Leistung ist oftmals nicht mit Gesundheit in Einklang zu bringen. Zugegeben, das ist ein Problem im gesamten Leistungssport. Aber die Kritik der nichtreitenden Bevölkerung ist umso lauter, wenn sie das Tierwohl hierdurch gefährdet sehen. Wo Geld verdient wird, bleibt in der Tat oftmals der Tierschutz auf der Strecke. (siehe auch: Vereinbarkeit von Tierschutz und Leistungssport)

Überhaupt soll die Dressur nicht zur Showeinlage verkommen, wo andressierte Kunststücke aneinandergereiht werden. Vermehrt werden nicht altersgemäße Vorstellungen und verspannte Schwebetritte auf den vorderen Plätzen rangiert.

Es fehlen allerorts gute Reitlehrer, die Reiter darin schulen, was gutes Reiten ausmacht und wie Harmonie mit dem Pferd aussieht. Vielen Reitern ist scheinbar das Auge für schönes und pferdegerechtes Reiten abhandengekommen.

Aber auch die fehlende Zeit und Besinnung auf das Wohlergehen des Pferdes macht sich bemerkbar. Gerade talentierte Reiter können einen hohen Ehrgeiz an den Tag legen, der ihren Reitstil nicht immer zum Wohle des Pferdes beeinflusst. Ziele sollen erreicht werden und Lektionen einstudiert, da wird in der Prüfung kaschiert, dass das Pferd noch nicht tragfähig genug ist. Dass Lektionen nicht ihrer selbst willen geritten werden, sondern der Weg zu einem übergeordneten Ziel sind, gerät gänzlich in Vergessenheit. Die Dressuraufgabe ist nur ein Schritt weiter auf dem Weg zur Kommunikation mit dem Reiter.

Wozu die Ausbildungsskala?

Takt, Losgelassenheit, Schwung, Anlehnung, Geraderichtung, Versammlung. Das sind nicht einfach irgendwelche Begriffe, sondern ein sinnvoll aufeinander aufbauendes Konzept.

Vielfach wird über die Reihenfolge der Ausbildungsskala diskutiert. Zu Recht wird hinterfragt, ob sich überhaupt Takt ohne Losgelassenheit einstellen kann. Die schrittweise Erarbeitung dieser Etappenziele auf dem Weg zum idealen Reitpferd ist jedoch Grundvoraussetzung für ein zufrieden für den Reiter einstehendes Pferd.

Skala der Ausbildung

Das haben wir in Deutschland anderen Ländern voraus: Die planmäßige Ausbildung von Pferd und Reiter. Selbst viele Reitsportnationen beneiden uns darum.

Der Turniersport Dressur entfernt sich jedoch in vielerlei Hinsicht von diesen höheren Zielen. Insbesondere die Losgelassenheit bleibt vermehrt auf der Strecke. Prüfsteine der Reiterei wie sauberer Takt und Gleichmaß im Schritt gehen in der Königsklasse verloren, obwohl ihre Wichtigkeit durch die doppelte Gewichtung der Wertung einst unterstrichen wurde.

Vielfach wird sogar vorgeschlagen diesen Prüfstein der pferdegerechten Ausbildung in der Dressur abzuschaffen. Als Grund wird mangelndes Interesse der Zuschauer genannt. Der langweilige Schritt ist nicht massentauglich.

In der Tat ist der Schritt für Laien sicher die unspektakulärste Darbietung in einer Dressurprüfung. Man sollte sich jedoch die Frage stellen, inwiefern das Zuschauerinteresse die durchdachte Reitpferdeausbildung beeinflussen sollte. Bei allem Respekt für die Gewinnung von solventen Sponsoren und Medienpräsenz, sollte es im Reitsport in erster Linie darum gehen, die Interessen der Pferde zu wahren. Wenn den Pferden die Teilnahme an Wettkämpfen schon vorgeschrieben wird, sollte doch zumindest auf die artgemäße Ausübung des Sportes geachtet werden.

Es besteht dennoch eine Pflicht zur Differenzierung!

Nur weil manche erfolgreichen Reiter sich im Turniersport abstoßend gegenüber ihren Pferden verhalten, bedeutet das nicht, dass Dressur Tierquälerei ist. Ganz im Gegenteil!

Zugegeben, klassische Reitschule und turniermäßiger Dressursport sollten nach meiner Auffassung keine separaten Wege gehen. Die Ausführung von Lektionen sollte nicht wie im Zirkus zum Selbstzweck werden. In einem Umfeld, wo Elemente, die ein Versagen in der Ausbildungsleistung des Reiters deutlich werden lassen, der Einfachheit halber gestrichen werden.

Ein weiteres Problem sehe ich darin, dass das Durchsetzen der Lektion in der Beurteilung des Rittes höher gewichtet wird als die Harmonie mit dem Pferd. Dabei geht die Leichtigkeit verloren zugunsten von Perfektionismus. Es gibt natürlich Argumente in beide Richtungen. Sicher ist „Harmonie“ schwierig in Noten auszudrücken und jederzeit angreifbar, weil von subjektiver Wahrnehmung geprägt. Andererseits ist das Gleichmaß des Taktes und die unsichtbare Einwirkung auf das Pferd ein hohes Gut der Reiterei. Dagegen ist die korrekte Ausführung der Lektionen wesentlich einfacher zu beurteilen, auch wenn man sich hier eine deutlichere Ausschöpfung der Notenskala im Sinne der Richtlinien wünschen würde. Die Worte geben es her, nur die Realität weicht davon ab.

Leider sind selbst Reiter untereinander sich nicht wohl gesonnen. Kritische Meinung ist weiter verbreitet als Fachkompetenz. Fehlerguckerei ist immer leichter als ein positiver Ansatz. Die Freude mit der manche Menschen Fehler finden, stimmt nachdenklich. Denn permanente Perfektion ist kein realistisches Ziel. Das hat weniger mit dem angewendeten System, als mit dem Lebewesen Pferd zu tun. Die Erwartungshaltung nach Siegen führt zu ungesunden Szenen im Sport. Das ist keine gute Einstellung zum Sportpartner Pferd.

Stresssignale erkennen

Das Wohlbefinden des Sportlers Pferd rückt für den Zuschauer in den Vordergrund. Aber um beurteilen zu können, ob ein Pferd Spaß an seiner Aufgabe hat, stehen dem Laien nur wenige Möglichkeiten zur Verfügung. Das Pferd hat als Fluchttier wenig Bedarf durch sichtbare Hinweise auf seine Befindlichkeiten aufmerksam zu machen.

Es ist daher wichtig bei der Beurteilung von Leid im Reitsport nicht nur ein Kriterium heranzuziehen. Das Gesamtbild zählt: Die Freiheit und Taktmäßigkeit der Bewegung, die Rücken- und Maultätigkeit, der Augenausdruck, die Schweifhaltung und Aktivität, sowie Ohrenstellung, Atmung oder aber übermäßige Schweißbildung. Alle diese Signale sollten beobachtet werden und liefern einen Einblick in die Gefühle des Pferdes an diesem Tag. Kein Pferd ist jeden Tag gleich gut drauf!

Es geht bei der Reiterei nicht um Optik und Schablonen, es geht um die Gesunderhaltung des Pferdes. Die Fähigkeit das Pferd über den Sport gesund zu erhalten, das ist der ultimative Gradmesser des pferdefreundlichen Reiters.

Abstand von Schubladendenken

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Denn oft bietet auch der Freizeitsport bei aller Unwissenheit genauso viele Steine zum Anstoß nehmen, wie der Turniersport. Lediglich das Image ist deutlich besser.

Wer als Reiter Argwohn und Distanz zu dem als elitär empfundenen Turnierzirkus allein aufgrund der viel geächteten Rollkur aufbaut, übt sich seinerseits im Schubladendenken.

Es gibt natürlich auch im Turniersport Namen, die für feines Reiten stehen. Diese Personen gilt es wahrzunehmen, kennenzulernen und nicht aufgrund geringster Verfehlungen wieder zu vergessen. Raum für Wachstum haben wir Reiter schließlich alle und Fehler macht jeder.

Auch das bisweilen eng im Hals werdende Jungpferd oder Korrekturpferd sollte nicht sofort als Anklagepunkt für seinen Reiter herhalten. Es gibt Situationen, wo es durchaus passieren kann, dass ein Pferd auch bei feinem Reiten eng wird. Die Nase vor der Senkrechten ist eine Hilfslinie, hat aber für sich genommen nicht genügend Aussagekraft, als dass man den momentan im Sattel befindlichen Reiter dafür verurteilen könnte.

Oftmals fehlt Freizeitreitern schlicht die Erfahrung, um korrekt einzuschätzen, wie sich ihr Pferd in fremder Umgebung oder ein sehr schwieriges Pferd in normaler Umgebung verhält. Es entstehen in solchen Situationen durchaus unschöne Bilder trotz besten Absichten. (Wobei die Ausrede der „ungünstigen Momentaufnahme“ bei mir wenig zieht, ich fotografiere schließlich selbst viel auf sportlichen Veranstaltungen und es gibt Unterschiede.)

Quo Vadis?

Es ist gänzlich unerheblich in welcher Sparte ein Reiter seine Ambitionen hegt: Die Dressur dient immer dazu das Pferd so zu gymnastizieren, dass es unter dem Reiter kräftiger und schöner werden und somit sportlichen Ansprüchen gerecht werden kann. Die Dressurreiterei ist die Basis jeder sportlicher Ambitionen mit dem Pferd. Sie versetzt das Pferd in die Lage seine natürliche Bewegungsdynamik und Teile seines Imponiergehabes ausbalanciert auch unter dem Reiter zeigen zu können.

Fernab von Konventionen sollte gutes, pferdefreundliches Reiten im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Dressur muss dafür nicht auf einem akribisch geeggtem 20×60 Platz mit weißen Zäunchen drumherum stattfinden, oder mit Medaillen behängt werden. (Siehe auch: Jungpferdeausbildung draußen) Auch die Beachtung von Teilaspekten, zum Beispiel einer besonders gelungenen Anlehnung, kann Freude bereiten – wenn man es zulässt.

Fazit

Reitern sollten statt mit religiösem Eifer Abgrenzung zu betreiben, sollte man stets das Beste im Sport sehen und nach außen tragen. Alle Reiter gehen mit Pferden um und können voneinander lernen.

Fakt ist: Ohne Dressur kommt kein besserer Reiter aus. Ich staune manchmal mit welcher Vehemenz sich Reiter zu einer bestimmten Sparte bekennen. In meiner Jugend sagte man mir einmal: „Du wirst im Springen nicht erfolgreich bis zur Klasse S kommen, wenn du dressurmäßig nicht mindestens bis M reiten kannst!“ Daran ist viel Wahres, auch wenn ich das früher nicht einsehen wollte.

Dressur muss nicht in Perfektion ausarten, sondern Möglichkeiten eröffnen. Dressur ist für das Pferd da – um es schöner und stärker werden zu lassen. Dahin sollte man den Sport zurückführen.

Weiter mit einem ähnlichen Thema: Vom Fohlen zum Reitpferd oder Kein Pferd springt freiwillig! Oder doch?

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