Oft wird behauptet, die besten Vollblüter befänden sich im Rennsport und in der Vollblutzucht und nicht im Reitsport. Im Umkehrschluss wird oft davon ausgegangen, die Qualität der Pferde wäre weniger hoch.
Prinzip Zufall entscheidet
Inhalt
Während ich es für wichtig halte, dass aktuell der Zufall eine große Rolle dabei spielt, welche Pferde in den Reitsport finden, weil es keine systematische Selektion auf Reitpferde-Eigenschaften gibt, so halte ich es dennoch für fragwürdig, ob im Umkehrschluss wirklich nur die Graupen im Reitsport landen.
Denn darin ist eine Wertung enthalten, die für eine Eignung für den Reitsport überhaupt nicht zutreffend sein mag. Es müsste zuvor geklärt werden, ob die „schlechten“ Rennpferde die weniger guten Reitpferde abgeben.
Aber zugleich bringt diese Wertung auch eine Abwertung eines jeden Vollblüters mit sich, der doch im Reitsport ist, die nicht gerechtfertigt sein kann. Das dient dann gerne als Argument gegen den Vollblüter. So nach dem Motto, wenn ich mir die Guten nicht leisten kann, dann brauche ich es mit den Schlechten auch nicht versuchen.
Beides halte ich für schädlich.
Wie relevant ist das GAG?
Während es aus Sicht der Vollblutzucht absolut Sinn macht, das GAG und den Rennsport zum wichtigsten Kriterium der Selektion zu machen, trifft dies auf den Reitsport nur begrenzt zu.
Ja, die Selektion von Vollblut über den Rennsport garantiert härtere Pferde. Sie macht als Universelles Kriterium auch absolut Sinn.
Dagegen sieht es bei den Reitpferden meiner Meinung nach anders aus, denn es gibt eine Vielzahl an Kriterien, die wesentlich relevanter sind.
Meine Auswertung von Sportdaten von Vollblüters zeigt auch, dass jede Art von GAG bei den späteren Reitpferden vertreten ist. (siehe auch: GAG Aussagewert)
Aber ich denke die Grundannahme, dass manche Pferde Spitzensportler sind und andere nicht, das muss man sich auch noch einmal genauer ansehen.
Es gibt in meinen Augen zwei Fragen, die hierzu adressiert werden sollten.
Ist ein Pferd leistungsfähig?
Die erste Frage, die man sich bei der Beurteilung eines Pferde unwillkürlich stellt ist nach der Leistungsfähigkeit.
Die Pferdezucht selektiert auf Sportleistung, es gibt also einen mehr oder weniger starken Fokus darauf. Über die Generationen erwartet man sich klassischerweise eine Weiterentwicklung dieser Leistungsmerkmale.
Es gibt aber in der Zucht eine Komponente, die dem entgegen wirkt, nämlich die Normalverteilung (auch Gaußsche Normalverteilung genannt).
Für die Springpferdezucht resultiert daraus in etwa die folgende Aufteilung in besser oder weniger für den Sport geeignete Pferde. Ich stelle dies hier mal grafisch anhand der Springpferdezucht dar. Das bedeutet, dass es Spitzenpferde für die Profis gibt und Mittelmaß und unterdurchschnittliche Pferde.
Ist das Pferd leistungswillig?
Die zweite Frage ist nach der Leistungsbereitschaft eines Pferdes. Denn ohne Bereitschaft dazu, entsteht garantiert keine Leistung. Während ein weniger fähiges Pferd mit viel Willen sicher noch einiges erreichen kann, ist bei einem fähigen Pferde ohne Leistungswillen nicht viel zu erwarten.
In jeder Sparte gibt es solche Pferde, die einfach nicht ins Raster passen. Weil sie nicht nach Schema F funktionieren, eine Sonderbehandlung benötigen, besonders viel Zuwendung brauchen. Damit ist nicht einmal die Gesundheit gemeint.
Jetzt sagt da einer: Finger weg von der Losern!
Klingt erst einmal sinnvoll, aber das ist in meinen Augen dennoch nur ein Teil der Wahrheit. Denn jedes Bewertungssystem bringt Verlierer hervor. Man stelle sich vor, man verlangt von einem Pinguin auf einen Baum zu klettern und hält das Tier für unfähig, wenn es dazu nicht in der Lage ist.
Fazit
Ich denke Biologie und damit Pferdezucht unterliegt einer Normalverteilung auf einer Kurve, die für Leistungsfähigkeit steht. Ich halte es für übertrieben, zu behaupten, dass nur die schlechten Pferde mit ungünstigen Temperament in die Warmblutzucht finden oder gar nur die schlechten Pferden kommen in den Reitsport
Sicher ist aber auch: Aktuell gibt es kaum eine Selektion, was eine Eignung des Vollblüters für den Reitsport angeht. Das liegt auch an der geringen Marktwert, die Vollblüter aktuell immer noch haben.
Da ist also noch genug Handlungsbedarf.
Was ich allerdings für ein falsches Signal halte, ist ein übertriebener Fokus auf die Sieger auf der Rennbahn, wenn es um ein Reitpferd geht. Denn sich einzureden, dass man von den schlechten Pferden einfach gleich die Finger lässt, ist ein Pessimismus, der viele gute Pferde übersehen wird.
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