Was will mir mein Pferd sagen? Es gibt Momente, da staune ich auch nach so vielen Jahren im Umgang mit Pferden noch, was sie für Wege in der Kommunikation einschlagen. Nachfolgend habe ich zwei Anekdoten aus dem Pferdealltag ausgegraben, die zeigen, wie sehr Pferde manchmal bemüht sind, unsere Aufmerksamkeit auf ein Problem zu lenken. Und wie wir Menschen trotz aller Achtsamkeit manchmal diese Zeichen missdeuten und nicht richtig zuhören.
Zaghafte Kommunikation
Meine Dreijährige (aka Die Zaubermaus), die ich letzten Sommer angeritten habe, war ein Schatz vom ersten Tag im Reitstall. Bei aller gegebenen Sensibilität und einem Blutanteil von 80% mit äußerst kurzer Zündschnur ist dies nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit.
Die ersten Schritte waren schnell getan. Das Gebiss im Maul störte sie nicht weiter, allein beim Einfädeln der Öhrchen musste man beim Auftrensen ein wenig Sorgfalt walten lassen. Der Deal artig Kopf herhalten gegen ein Stück Möhrchen war zu Beginn schnell besiegelt und schon bald wieder überflüssig. Innerhalb weniger Tage konnte man die Kleine auch frei stehend am Anbindeplatz draußen im Trubel des Reitstalls fertig machen. Bei so viel Kooperationsbereitschaft war ich ganz euphorisch über die schnellen Fortschritte mit der Kleinen.
Und dann kam unerwartet der erste kleine Rückschritt. Eines Tages kniff sie die Schnute zu und wich mit dem Kopf dem Zaum aus. Etwas irritiert griff ich sicherheitshalber nach dem Nasenrücken und umfasste ihren Kopf. Das war sonst nicht nötig, weil sie den Kopf von alleine in Richtung Trense wandte, aber heute scheinbar schon. Das Maul blieb dennoch trotz vorgehaltenem Gebiss konsequent verschlossen und ich musste per Fingerdruck auf die Laden das Maul öffnen. Ich war etwas irritiert, ob der ungewohnten Anwandlungen, schob es aber auf die Launen der Jugend.
Natürlich war das kein Drama, aber der kurze Augenblick der Verweigerung blieb mir in Erinnerung. Nach mustergültigen Benimm war diese Aktion auffällig und man macht sich so seine Gedanken bei den jungen Pferden (Ist das Arbeitspensum zu hoch und sie mag gerade nicht mehr? Hat sie was gesehen und war abgelenkt? Sollte ich das Auftrensen doch lieber in ruhigerer Umgebung ausführen?). Aber sie blieb an dem Tag ansonsten unauffällig und kooperativ.
Bis ich tags darauf routinemäßig einen Blick auf Tränke und Trog in ihrer Box warf und mir ein ziemlich großes Stück Zahn im Trog auffiel. Hier ein Foto des Missetäters.
Das war also die Ursache ihres Verhaltens! Schuldgefühle pur. Damit war der Grund für den Widerstand des braven Pferdchens am Vortag schnell geklärt.
Hätte sie doch bloß was sagen können! Aber halt, hat sie ja! Es war eher zuhören angesagt.
Zur Klarstellung: Dem Zahnarzt wurde sie im Januar vorgestellt, dem Osteopathen im Mai, bevor es mit der leichten Arbeit losging. Aber so eine Dreijährige ist eben noch voll in der Entwicklung, da ändert man bei aller Umsicht nichts dran. Zum Glück klappte das Auftrensen in der Folge ohne den störenden Zahn wieder problemlos.
Aber das war mir eine Lehre. Denn wenn man so darüber nachdenkt, sind Pferde ziemlich kooperativ. Warum sonst sollten 650 Kilo Pferd sich nicht gegen Anreitversuche des Menschen wehren?
Pferde haben nach meiner Wahrnehmung eigentlich immer einen Grund für ihr Verhalten, wenn sie sich sträuben. Vielleicht weil man zu viel verlangt oder weil sie die Übung nicht verstanden haben. Wenn man sich diese Optionen gedanklich offen hält und nicht einfach nur sagt „da muss man sich halt mal durchsetzen!“. (Was auch vorkommen kann, aber deutlich seltener als in der Reiterwelt gemeinhin angeregt, siehe auch den Artikel: Setz dich durch, der will nur nicht!)
Ich finde man sollte die Signale der Pferde achten und – sofern möglich – Rücksicht nehmen oder andere Wege finden. So viele Pferde ertragen still die Problemchen des Alltags. Wir sollten dankbar für ihre stets kooperative Art sein und öfter mal zuhören, was sie zu sagen haben.
Die Geschichte wiederholt sich
Interessanterweise gibt es eine ganz ähnliche Geschichte zu der Mutterstute von meiner Dreijährigen. Dance and win stand als Zuchtstute in einem großen Pensionsstall, wo ich wie gewohnt am Wochenende vorfuhr, um nach ihr zu sehen. Die Stute stand auf einer Weidefläche, die vom Hof aus gut zu überblicken war. Ich stieg aus, grüßte die anwesenden Personen und wandte mich dann der Weide zu. Da es an diesem Sommertag sehr heiß war, hatte ich eigentlich nicht vor mit der Stute zu arbeiten.
Meine Stute stand in etwa 50 Meter Entfernung und sah mich aufmerksam an, kam aber nicht auf mich zu. Ungewöhnlich. Ich rief sie beim Namen, aber sie kam trotzdem nicht, schüttelte jedoch deutlich den Kopf auf und ab. Ich fragte die Anwesenden, ob alles in Ordnung mit ihr war. Klar, bisher keine Auffälligkeiten. Ich stand also am Zaun und schaute weiter zu meinem Pferd. Dann fing sie an mit dem rechten Vorderbein wild in der Luft zu scharren. Jetzt war ich endgültig irritiert und ging zu ihr. Als ich ankam, streckte sie das rechte Vorderbein beinahe horizontal nach vorn in die Luft.
Als ich begann das Bein abzutasten, stellte sie es artig wieder ab. Mir war ziemlich schnell klar, was das Problem war, denn am Kronrand war ein heftiger Puls zu fühlen. Ich entschied die Stute auf den Hof zu bringen und ließ sie auf Pflaster traben. Es war keine Lahmheit sichtbar. Da der Hufschmied aber ohnehin bei den Jungpferden zugange war, bat ich ihn dennoch nach ihr zu sehen. Meine chronisch ungeduldige Stute wartete dabei wie ein Lämmchen, bis der Schmied Zeit fand. Wir konnten ein großes Hufgeschwür freilegen und ihr den Schmerz nehmen.
Jetzt stellt sich die Frage der Interpretation dieses Verhaltens. Oder aber: Wie viel Intelligenz traut man einem Pferd zu?
Dance verhielt sich den gesamten Tag nach Beobachtung der Mitarbeiter unauffällig und begann mit ihren Aktivitäten erst, als sie sicher sein konnte, damit Aufmerksamkeit bei mir zu erregen. Wäre sie auf der Weide einfach nur freundlich zu mir gekommen, hätte ich das Problem vermutlich nicht erkannt und es nicht beheben können.
Jetzt wird es langsam esoterisch.
Denn ich unterstelle dieser Stute schon ziemlich viele Annahmen, die ihre kognitiven Fähigkeiten – nach allem was man über Pferde weiß – überschreiten. Sie hätte hierfür bewusst die Entscheidung treffen müssen, sich anders zu verhalten als sonst und aus der Entfernung Aufmerksamkeit auf das Problem zu lenken.
War es also alles nur Zufall? Das Scharren aus reinem Schmerz, zufällig in meiner Anwesenheit? Sie ist kein extrovertiertes Pferd, das ständig nach Aufmerksamkeit sucht. Ganz im Gegenteil verhält sie sich sonst unauffällig, wie es Fluchttieren auch gemeinhin eigen ist. Aber egal was der Stute bei ihrem Scharren durch den Kopf ging, ihre Art auf das Problem aufmerksam zu machen und so eine Lösung herbeizuführen, ist ihr jedenfalls gelungen. Sie brachte mich zum zuhören.
Ich halte sie unter hunderten Pferden, die ich bislang geritten bin, bis heute (nicht nur aus diesem Anlass) für das intelligenteste dieser Pferde. Aber ehrlich gesagt hat dieser Vorfall mir damals klargemacht, dass Pferde enorm feinsinnig sind und Kommunikation in aussichtsreichen Fällen gegenüber Menschen anstreben. Sie müssen nur zuhören und offen sein für diese Hinweise!
Fazit
Man kann viel über Pferde Lernen, wenn man die Bereitschaft mitbringt, sich auf sie und ihre Geschichte einzulassen. Ich schließe mit der Bitte ab, die kleinen Hinweise der Pferde sorgsam zu beobachten. Dem Pferd zu vermitteln, dass wir für seine Probleme Lösungen finden, ist ein großer Schritt hin zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit. Seien Sie diese Vertrauensperson, der sich ihr Pferd gerne anschließt.
Natürlich ist es manchmal unmöglich, auf jede kleine Willensäußerung des Pferdes Rücksicht zu nehmen. Aber es schadet sicher nicht, sich zumindest des Widerstandes bewusst zu sein und sich das Zuhören anzueignen.
Weiter mit einem ähnlichen Thema: Denkpausen gezielt nutzen oder Das Pferd im hier und jetzt erleben
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Sie schreiben mir so aus der Seele, Frau Wenzel. In meiner Stute hatte ich eine großartige Lehrmeisterin, die mir viel von dem, was Sie beschreiben beigebracht hat. Vieles habe ich auch erst viel später verstanden …
Menschen wie Sie und Ihr Blog sind für Menschen, die mit Pferden zu tun haben sehr sehr wichtig.
Lesezeichen ist gesetzt. Ich schaue bald mal wieder vorbei …
Herzlichste Grüße aus Österreich!
Hallo Frau Wenzel,
ja ich glaube auch das Pferde sehr genau unterscheiden mit wem sie kommunizieren und mit wem nicht. Als Mensch ist man oft geneigt zu denken das man sich das einbildet oder hineininterpretiert wenn das Pferd kommuniziert. Es hat eine Weile gedauert bis ich zum ersten Mal richtig das Gefühl hatte Pferd kommuniziert gezielt mit mir.
Klar kennt man den bettelnden Blick zur Leckerli Ecke, oder das gegen die Gitterstäbe treten wenn das Futter nicht schnell genug kommt. Aber in dem Fall war ich am Misten, Pferd betritt den Offenstall schaut ob ich Ihn ansehe und schrubbert sich den Po wobei er weiter geschaut hat ob ich ihn ansehe. Ich bin dann hin und habe die Stelle geschrubbert, Pferd happy.
Letztens auf dem Ausritt wurde Pferd nervös als wir ein Wegstück erreicht haben den das Pferd nicht kennt. Ich bin abgestiegen und habe geführt. Als wir wieder auf dem bekannten Weg waren stubst Pferd mich an der Schulter an, wie zu sagen: ist wieder gut, steig wieder auf dann sind wir schneller zu hause. Er möchte immer schnell nach hause wenn wir allein unterwegs sind.
Beide Beispiele können Zufall sein, auf jeden Fall hat das Pferd beide Male eine Verhaltensänderung bei mir bewirkt.
Pferd lebt mit zwei Stuten in Offenstallhaltung, wenn ich die Pferde besuche lässt Pferd mich nicht aus den Augen und schirmt mich neuerdings von den Stuten ab. Wenn ich die Stuten streicheln möchte drängt er sie weg. Bin mir noch nicht sicher wie ich das einordnen soll. Es wirkt wie Eifersucht.
Pferdekommunikation ist total spannend und faszinierend.
Und Sie haben Recht, man muss das zuhören erst lernen und es lohnt sich so sehr.
Ich habe für mich festgestellt, jede Minute Zeit die man bewusst in Beobachtung investiert bekommt man vielfach zurück.
Ich wünsche allen Pferden das man ihnen zuhört!