Manchmal hat man den Eindruck, wenn man Reiter so reden hört, jeder zweite Pferdebesitzer hat ein Pferd mit Potential für die Klasse S zuhause. Aber was ist eigentlich Erfolg im Reitsport? Hier soll es um die verhinderten Sportpferde mit besseren und schlechteren Gründen für den ausbleibenden Erfolg gehen.
Von Übertreibungen
Inhalt
Ein Reiter versichert in schillernden Farben was für ein tolles Pferd er hat. Das Pferd hat phantastische Grundgangarten (Dressurpferd) oder springt den ganzen 1,60m Parcours (Springpferd).
Gut, es hat noch nie in seinem Leben einen Turnierplatz gesehen, aber das Pferd hätte definitiv das Potential!
Wer kennt das nicht?
Zuhause haben scheinbar alle S-Pferde.
Mir werden regelmäßig Pferde angeboten, deren Erfolge konkret mit der Aussage „Erfolgreich bis zur Klasse M“ angeboten.
Vielleicht ist das pedantisch von mir, aber ich staune regelmäßig, über die abweichenden Angaben, die ich im Jahrbuch Sport der FN finde. Denn ja, natürlich sehe ich solche Angaben nach. In Zeiten von Rimondo oder Horsetelex braucht es dafür nicht mal den kostenpflichtigen Account der FN (der natürlich zuverlässiger geführt ist).
Wenn Jemand von Erfolgen spricht, assoziiere ich im Springen damit rein sprachlich Platzierungen. Oder zumindest ganz sicher kein, „man hat mal reingeschnuppert“.
Wenn Jemand also von Erfolgen in Klasse M in Dressur und Springen spricht, so fühle ich mich betuppt, wenn ich nur A-Platzierungen finde. Ebenso, wenn Jemand klangvoll Erfolge in 1,40 Klassen angibt und sich nur L-Siege finden und darüber nichts.
Denn zwischen Startplatz erhalten und Platzierung liegen schon noch Welten.
Übertreibung oder Falschaussage?
Ist das nur Wortklauberei? Wann wird denn aus der vollmundigen Übertreibung eine Lüge?
Das ist für mich nicht nur eine Frage der korrekten Formulierung. Denn ich denke, hier wird mit beschönigten Angaben Vertrauen verspielt. Was völlig unnötig ist, denn die Wahrscheinlichkeit damit (langfristig) durchzukommen, halte ich für gering.
Die üblichen Ausreden
Nun gibt es viele Gründe nicht auf Turniere zu fahren.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass ein Wechsel-Schichtdienst für Turnier-Ambitionen tödlich ist. Ebenso wie ein Mangel an Hänger-Führerschein/ Hänger oder Zugfahrzeug.
Und der Spaß kostet schließlich auch Geld. Jede Menge sogar!
- Es ist nicht verwerflich, dieses Geld (ob vorhanden oder nicht) anders auszugeben, als in eine zweifelhafte reiterliche Sportkarriere zu investieren.
- Man kann auch aus moralischen Erwägungen zu dem Schluss kommen, dass man auf einem Turnier ohnehin fehl am Platze wäre. Weil man sich von Tierquälern distanzieren will.
- Oder man möchte als Erwachsener nicht zwischen lauter Teenies in Einsteiger-Prüfungen Reiten. (Wobei sich die Nenn-Möglichkeiten in den letzten Jahren doch erheblich verbessert haben.)
- Man kann auch schlicht der Auffassung sein, dass es vollkommen ausreicht, wenn das Pferd zuhause schön läuft.
Diese Liste ist sicher nicht abschließend.
Wie dem auch sei, es gibt viele Gründe dafür, nicht auf ein Turnier zu fahren und keiner der Genannten ist weiter verwerflich.
Dennoch muss ich als Reiter und Züchter dagegenhalten: Zuhause kann jeder Grand Prix Reiten. Das was „im Scheckheft steht“ (die ältere Generation wird noch wissen wovon ich rede), ist entscheidend!
Das sage ich sehr bewusst, obwohl ich selbst -aus Gründen- sehr selten auf Turnieren als Reiter teilgenommen habe.
Von verhinderten Top-Karrieren
Es gibt nämlich auch 1.000 Gründe, warum ein gutes Pferd eben nicht zum Turnierpferd taugt.
Weil es ständig lahm geht und die Belastung des Trainings nicht aushält, zum Beispiel. Oder weil es den nervenaufreibenden Zirkus nicht mitmacht und Koliken davon bekommt. Oder im Viereck senkrecht steht und dieses auch ungefragt verlässt. Oder unter Druck keine Leistung abrufen kann, weil es sich ständig selbst im Weg steht.
Für die Selektion von Leistung ist also nicht ausschließlich das Potential des Pferdes entscheidend, sondern auch welche Platzierungen tatsächlich errungen worden sind. Ob das Pferd also auch seine PS auf die Straße bringt.
Für Züchter ist das noch mal wichtiger als für Reiter. Es wollen in erster Linie Züchter die Leistung von Sportpferden objektiv beurteilen. Denn eine Leistungsselektion, ohne die eine ernsthafte Sportpferdezucht nicht auskommt, muss anhand von Turniererfolgen bemessen werden. Also Leistung, die unter bestimmten durch die Leistungsprüfungsordnung (LPO) festgelegten Parameter, erbracht wird. Und nur das zählt.
Ein Turniererfolg sagt eben nicht nur etwas über die Leistungsfähigkeit des Pferdes aus, sondern auch über seine psychische und physische Belastbarkeit. Platzierungen kann man nur erhalten, wenn das Pferd nicht ständig einen gelben Schein einreicht.
Nicht alles Gold, was glänzt
Jetzt kann man natürlich unter den Verhinderten argumentieren, dass es die Profis einfacher haben als die Amateure. Dass viele Platzierungen bestimmten Pferde/ Reiter-Paaren geschenkt werden.
Davon kann sich jeder Besucher von kleinen Turnieren bis Championaten als Zuschauer selbst überzeugen. Geschickt genannt ist in bestimmten Kreisen schon halb gewonnen. Auf solche Ideen kommt der gewöhnliche Amateur schlicht nicht.
Das stimmt. Daher gilt: Man muss als Züchter schon selber hinfahren und sich eine Meinung darüber bilden, ob Lieschen Müller mit Mister X wohl auch die Note jenseits der 8,0 erhalten hätte. In Zeiten von Rimondo und Clipmyhorse mag das einfacher festzustellen sein als früher. Denn es menschelt mitunter sehr, wenn es um die Benotung von Leistung geht.
Es lohnt auch mitunter bei kleinen Turnieren auf dem Lande die euphorisch mit 8 Komma irgendwas bewertete Runde in einer Jungpferdeprüfung mal per Video zu verfolgen. Das ernüchtert manchmal ungemein. Ich stelle nur immer wieder fest, dass meine Ansprüche höher sind als anderswo
Der Dressursport ist naturgemäß anfälliger. Wenn es darum geht, die Gesamtharmonie zu bewerten, mögen manche Richter Perfektion der Ausführung belohnen, andere die Harmonie zwischen Pferd und Reiter höher gewichten. Bei den Springreitern (der höheren Klassen) fällt die Stange oder halt nicht.
Amateur oder Profi?
Jetzt ist mir natürlich bewusst, dass der Reiter und das Management eines Pferdes sehr wichtig für die Beurteilung der Erfolge eines Pferdes sind.
Manchmal wünschte ich mir von der FN eine Nachprüfbarkeit von der Anzahl der Starts im Verhältnis zur Anzahl der Platzierungen. Es macht schon einen Unterschied, ob ein Pferd Platzierungen hat, das überhaupt nur 3 Mal im Jahr auf einem Turnier am Start ist, oder wenn es jedes Wochenende auf Tour ist.
Denn klar ist, dass bei Vielstartern irgendwann einmal eine Platzierung abfällt, wenn man es nur oft genug versucht. Da muss man halt mal weiter fahren, unter der Woche starten – die Profis kennen die Tricks.
Die oft bemühte „Qualifikation für das Bundeschampionat“ ist so ein Label, das sich jeder Züchter gerne auf die Fahne schreibt. Dafür wird dann schon mal ein großer Aufwand betrieben, auch wenn die Chancen vor Ort minimal sind und der Startplatz -sofern erhalten- vorsichtshalber nicht wahrgenommen wird.
Meine persönliche Haltung
Ich denke Ehrlichkeit kommt nicht aus der Mode. Zu den Schwächen und Stärken eines Pferdes zu stehen, hebt sich insbesondere aus dem Mund des Züchters in meinen Augen positiv vom Umfeld ab.
Wie viel Understatement macht Sinn? Es ist vermutlich nicht verkaufsfördernd., wenn man so gar nichts von Erfolgen erzählt. Ehrlich gesagt tue ich mich damit schwer. Wie oft habe ich schon gehört „du hast doch schon tolle Erfolge, jetzt rede doch mal davon!“. Es stimmt, dass man mehr tun kann, um wahrgenommen zu werden, aber ich hoffe doch für die bedachten Kunden sprechen die Pferde selbst laut genug.
Fazit
Ich bitte darum meine Aussagen nun nicht falsch zu verstehen. Natürlich möchte ich Turniere ihren Wert als Leistungsaussage nicht mindern. Es muss schließlich irgendeine Form der Nachprüfbarkeit von Leistung geben. Der Turniersport ist für mich als Züchter der beste Ort dafür.
Als Reiter sehe ich persönlich das sportlicher. Mir macht mein Pferd auch zuhause Spaß! Ich kann seine Leistung wunderbar selbst beurteilen, dazu braucht es keinen Richterspruch.
Es gilt für sich selbst festzulegen, was Erfolg mit dem Pferd genau ist.
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