Das klassische Reitpferdemodell – ein Erbe des Vollblüters

Manchmal sind es kleine Momente, die für Klarheit sorgen. Jemand betrachtete eins meiner Fotos von einer Stute und lobte das hervorragende Reitpferdemodell. Nur dass es sich eben nicht um ein Reitpferd handelte, sondern um ein Rennpferd.

Da wurde mir erstmals klar: Das in der Warmblutzucht verlangte Modell, also das Reitpferdemodell, entspringt der Leistungsselektion der Vollblutzucht und nicht dem Reitsport.

Herrliche Reitpferde-Typen im Rennstall

Inhalt

Das klassische Stehermodell des Vollblüters verfügt über lange Linien, markante Sattellage, trockene Texturen – alles Merkmale, die man durch die Einkreuzung von Vollblut in die Warmblutzucht eingebracht hat und nicht durch die bloße Selektion auf Reitpferdeeigenschaften. Das sogenannte „Reitpferdemodell“ ist eine Mogelpackung.

Ausgangspunkt für meine Gedanken war ein Bild der Vollblutstute Saldenehre von Highest Honour aus der Salde (siehe oben). Es lohnt sich einen Blick auf die Verwandtschaft dieser Stute und ihren hervorragenden Stamm zu werfen.

Die Mutter Salde hat – selbstverständlich gänzlich ohne Embryonentransfer – 9 Nachkommen mit mehr als 90 kg GAG (was in etwa Erfolgen im internationalen Grand Prix entsprechen dürfte). Namentlich sind dies: Saldenblatt, Saldenehre, Saldenschwinge, Saldennähe, Saldentigerin, Saltas, Salden Licht, Salomina, Salut. Ich habe die Stute und ihre Nachkommen im Gestüt Wittekindshof besucht und war schwer angetan von der Vererbungsleistung. Alle Vollblut-Nachkommen der Stute sind jenseits der 1,65m Stockmaß und haben Rahmen, Rumpf und Linie sowie eine herausragende Eigenleistung vorzuweisen.

Ein einziges Manko musste ich feststellen: Der Einsatz in der Warmblutzucht verbietet sich leider aufgrund des Preisgefüges von ganz alleine.

Nah verwandt mit dieser Familie ist allerdings der für die Warmblutzucht gekörte Saphir von Black Sam Bellamy/ Dashing Blade. Dies ist ein in Rennleistung und Selbstdarstellung äußerst ansprechender Hengst, der im Landgestüt Warendorf leider viel zu wenig züchterische Beachtung erfährt, um eine Chance zu erhalten.

Ein weiteres schönes Beispiel liefert der Hengst Alchimist, der trotz seines Jahrganges 1947 ein makelloses Exterieur im „modernen Reitpferdetyp“ hat. Klassisch und zeitlos. Das ist bis heute modern!

Alchimist xx

Bessere Vollblüter sehen so aus!

Wer sich einmal in einem der besseren Vollblutgestüte umsieht, der wird selten die muckeligen Rennmäuse unter den Zuchtstuten finden, die so manch ein Warmblutzüchter bei dem Gedanken an den Standard-Vollblüter so vor Augen hat. Da steht stattdessen oft ein herrliches Reitpferdemodell.

Schlendert man während der Morgenarbeit bei wirklich guten Trainern über den Hof begegnen einem immer wieder Vollblüter, die man sich durchaus für die Reitpferdezucht vorstellen könnte. Auch in England oder Irland trifft man landläufig selten die Sorte „schmaler Hering“ an, sondern Vollblüter mit Größe und Linie – ein geradezu klassisches Reitpferdemodell.

Wer sich jetzt fragt warum das so ist, unterliegt einem Denkfehler: Es sind eben nicht die Vollblüter, die aussehen wie unsere Reitpferde, sondern Eigenschaften des Vollbluts, die wir im Umzüchtungsprozess zum modernen Reitpferd mit Hilfe der Vollbluteinkreuzung im Reitpferd absichtlich herausgeformt haben. Dies bringt uns dem Ideal des Sportpferdes näher.

Tendenz zum Sprinter?

Nun wird beklagt, dass sich das Exterieur des Vollblüters wandelt und die kürzeren Distanzen nicht die richtigen Pferde für die Warmblutzucht hervorbringen.

Das halte ich so pauschal für falsch.

Es hilft solche Behauptungen in Relation zu setzen, wenn man weiß, dass diese Anklage bereits in Büchern von 1947 erhoben wird (siehe nachfolgende Abbildung). Und in Büchern, die noch 60 Jahre älter sind, ebenso. So ganz aktuell kann dieser „Trend“ also nicht sein! Die Tendenz dorthin war jedenfalls schon vor rund 130 Jahren erkennbar.

Abbildung Steher vs Sprinter

Eins ist dennoch ersichtlich, wenn man sich die Distanzen der klassischen Rennen ansieht. Die Distanzen der gelaufenen Rennen werden tatsächlich kürzer.

Was macht Sprinter aus?

Kurzstreckenpferde zeichnen sich durch eine Bergabkonstruktion aus. Diese ist gekennzeichnet von einer überbauten Hinterhand und niedrig angesetztem Hals, sowie einer überproportionalen Beckenformation mit starker Bemuskelung an den Hosen. Dazu haben sie oftmals eine steile, kurze Schulter und eine geringe Winkelung in der Hinterhand.

Der Vergleich mit dem amerikanischen Quarter Horse, DEM Rennpferd für kurze Distanzen, drängt sich auf. Mit der Veränderung des Exterieurs gehen auch eine Veränderung der Struktur der Muskulatur und den Grundgangarten einher.

Aber dennoch gibt es – auch heute noch – eine große Typenvielfalt an deutschen Vollblütern mit bestimmten Vorzügen für die Warmblutzucht. Ich halte den Steher nicht für den alleinigen Heilsbringer für die Warmblutzucht, insbesondere, wenn es um die Springpferdezucht geht. Dies habe ich hier bereits näher erläutert.

Weiter mit einem ähnlichen Thema: Wege aus der Krise in die Zukunft oder Bergabtendenz beim Vollblut

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