Manche reden davon, dass aktuell ziemliche Krisenzeiten für Blutpferde herangebrochen sind. Dieser Artikel soll zeigen von wo der Vollblüter in der Warmblutzucht kommt und was gangbare Wege für die Zukunft sind. Wie man die Krise als Chance betrachten kann.
Die Historie der Blutpferde
Im Jahr 1950 machte der Kaltblüter noch knapp 2/3 der Pferdepopulation aus. Mithilfe der Einkreuzung von Vollblut wurde aus dem Ackergaul ein Sportpferd. Der Vollbluteinsatz war dringend notwendig zur Modernisierung der Pferdezucht und direkte Vollblutnachkommen waren begehrt wie nie.
In den 70er Jahren war die Nutzung von Vollblütern unheimlich populär. Es ist heute kaum auszumalen, aber damals konnten direkte Vollbutnachkommen auf Auktionen Höchstpreise erzielten. Die Umstellung vom reinen Arbeitspferd zum Sportpferde sorgte für eine echte Trendwende.
Seither ist der Vollbluteinsatz in der Warmblutzucht stetig auf dem Rückmarsch. Direkte Vollblutnachkommen sind auf Auktionen heutzutage eher ungewohnte Gäste. Der Vermarktungsengpass in der Warmblutzucht und die Wirtschaftskrise haben ihr Übriges dazu beigetragen, dass die Vermarktung von Blutpferden schwieriger wird. Der Markt hat entschieden, dass der Vollblüter nicht mehr dieselbe Rolle einnimmt wie früher. Krisenzeiten!
Vollblut in der Krise?
Eine Krise bezeichnet eine Phase des Umbruches. Eine Krise kann kein anhaltendes Problem sein, weil diese Bezeichnung einen Wandel beschreibt. Wandel ist immer dann nicht aufzuhalten, wenn es gute Gründe für diese Veränderungen gibt. Es bringt nichts, Entwicklungen zu betrauern, denn Veränderungen haben meistens ihren Sinn.
Man mag die Qualitäten blütiger Pferde anders gewichten und Trends zu Starvererbern oder Modehengsten bedenklich finden. Die Zeit zurückdrehen kann jedoch niemand. Also gilt es praktikable Lösungen für die Zukunft zu suchen, statt vergangenen Zeiten nachzutrauern. Dazu muss man sich die Frage stellen, welche Gründe ausschlaggebend dafür sind, dass ein solcher Wandel eintritt.
Man denke zum Beispiel an die G-Blut Initiative des Hannoveraner Verbandes. Kluge Köpfe waren der Meinung die Stärken der G-Blutlinie wie belastbare Gesundheit, Doppelveranlagung und starke Rücklinien sollten in der Population der Hannoveraner erhalten werden.
Es wurden Maßnahmen ergriffen, wie Deckgeldreduzierungen für blütige Zuchtstuten. Die Halter von passenden blutgeprägten Stuten wurden angeschrieben und angeregt über eine Bedeckung mit einem Hengst aus der G-Linie nachzudenken. Eine Rückbesinnung auf die Werte, für die diese Linie steht, hat trotz aller Promotion nicht stattgefunden. Die Initiative brachte gemessen an den Bedeckungsszahlen nur mäßigen Erfolg.
Es gibt eben immer auch gute Gründe dafür, warum manche Linien bestehen und andere im Mannesstamm untergehen. Das ist trotz aller Pluspunkte einer Linie kein Weltuntergang.
Ein Blick in die Beschälerlisten der Landgestüte zeigt eindrücklich, dass auch diejenigen, die sich dem Erhalt von Blutlinienvielfalt verschrieben haben, sich den Regeln des Marktes beugen müssen. Keiner kann es sich leisten ewig gegen den Strom anzuschwimmen, irgendwann muss das Ergebnis den Markt auch überzeugen, um sich durchzusetzen. Jeder Züchter muss hierfür selbst das Risiko tragen.
Meine persönliche Meinung
Es braucht aktuell mehr denn je Idealisten für die Erhaltung des Vollbluts in der Warmblutzucht.
Aber trotz aller Leidenschaft für das blütige Pferd, sollte bei jedem Züchter auch Rationalität die Anpaarungsentscheidung mitbestimmen. Also die Fähigkeit zu differenzieren und Schwächen zu erkennen. Eine romantische Verklärtheit und die Grundüberzeugung andere Menschen wären schlicht nicht in der Lage die Qualität der eigenen Pferde zu beurteilen, sind kontraproduktiv.
Nur Pferde, die am Markt Bestand haben, können dauerhaft vom Züchter erhalten werden. Krisenzeiten lassen für gewöhnlich nur Bewährtes bestehen. Es ist eine Chance sich neu auszurichten und die eigenen Überzeugungen zu hinterfragen.
Die bewusste Entscheidung für ein Nischenprodukt kann sogar helfen, um am Markt zu bestehen. Denn in einem wirklich übersättigten Markt von Pferden ähnlicher Modeabstammung und Couleur, hebt sich das Besondere aus dem Einheitsbrei hervor. Unabdingbare Voraussetzung hierfür ist ein Pferd, das in der Selbstdarstellung überzeugend ist und ein Zuchtkonzept, das schlüssig vertreten wird. Dann findet sich meist auch Jemand, der diese Qualitäten ebenfalls erkennt und zu würdigen weiß.
Wer rückwärtsgewandt Zucht im Sinne von Brauchtumspflege betreibt und sich an längst vergangenen Zeiten orientiert, wird auf Dauer keine Tradition bewahren können. Die Rückbesinnung auf alte Zeiten in allen Ehren, aber ein wenig Fortschritt muss auch in Krisenzeiten angestrebt werden.
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