Über die Beurteilung von Fohlen

Die abschließende Beurteilung von Fohlen ist ausgesprochen anspruchsvoll. In manchen Phasen des Wachstums ist eine Beurteilung als Außenstehender schwierig bis unmöglich. In vielen Fällen werden sich auch Profis gründlich täuschen. Worauf man wirklich bei der Fohlenbeurteilung achten sollte.

Sind Reiter ehrlicher als Züchter?

Inhalt

Viele Reiter tun sich schwer in der Beurteilung von Fohlen. Viele Profis im Reitsport – egal welcher Disziplin – geben das sogar unumwunden zu und kaufen nach einigen Fehlversuchen lieber fertige Sportpferde. Hier sieht man was man für sein Geld bekommt und kann das Pferd unter dem Sattel erproben.

Andere tun so, als würde man immer alle Qualität erkennen können. Oder es werden Fohlen nach einem klangvollen Pedigree gekauft, ohne mehr als einen prüfenden Blick auf grobe Fehler am Pferd zu werfen. (siehe auch: Pedigree als Label)

In welchem Alter sollte man Fohlen beurteilen?

Jedes Fohlen wächst nach seinem eigenen Plan. Dennoch gibt es manche Phasen, die universal besser zum Beurteilen geeignet sind als andere.

Eine Züchter Weisheit besagt, dass man sich:

Fohlen am besten im Alter von 3 Tagen und 3 Wochen anschaut und dann am besten nicht mehr beachtet, bis sie 3 Jahre alt sind.

Die Zeiträume dazwischen sollte man tatsächlich meiden. Denn Wachstumsschübe sorgen nicht nur für ein wenig gefälliges Äußeres, sondern wirken sich auch auf die Qualität der Grundgangarten aus. Je stärker z.B. das Fohlen überbaut ist, desto steiler und knapper wirkt die Schulter.

Auch jeder Mangel im Allgemeinzustand (Fütterung, Hufbearbeitung) kann in die Irre führen, daher sollte das Pferd immer in einem idealen Pflegezustand bewertet werden, ansonsten müssen Erfahrungswerte und Phantasie zusammenspielen.

Ich persönlich schau mir Fohlen gern zwischen 2 und 3 Monaten an. Dann haben sie schon genug Kraft entwickelt, um ihre Bewegung zu zeigen, aber sind noch nicht im maximalen Wachstum, der oft dazu führt, dass sie unvorteilhaft überbaut sind.

Dabei ist alles da

Dabei sind viele der Qualitäten, die ein Reitpferd ausmachen, schon beim Fohlen zu erkennen. Es braucht sicher ein klein wenig Übung. Aber auch Gefühl für Symmetrie und Proportionen, wobei sich ein Mensch mit künstlerischer Begabung möglicherweise leichter mit einem Urteil tun wird. Aber die Grundlagen sind durchaus zu erlernen.

Wie sich das Pferd in freier Bewegung zeigt, sagt viel über seine Bewegungsqualität aus. Fällt es ihm leicht sich bergauf zu tragen? Wechselt es spielend in den Handgalopp?

Ein Fohlen zeigt in seiner reinsten Form, was ihm in Sachen Bewegungsqualität in die Wiege gelegt wurde. Im Freilauf bewegt es sich athletisch und kraftvoll oder leichtfüßig und elegant.

Was soll überhaupt beurteilt werden?

Der Züchter eines Fohlens mag in der Lage sein, durch die Beobachtung seiner Stuten und Nachzucht über Jahre und Generationen Prognosen abzugeben, wie seine Nachzucht üblicherweise weiterentwickelt. Ein Außenstehender sollte sich mit derartigen Prophezeiungen dagegen zurückhalten, sofern er kein ausgewiesener Experte ist. Für eine objektive Beurteilung als Kaufinteressent sollte man im Auge behalten was tatsächlich momentan zu sehen ist und sich nicht an Hoffnungen festhalten.

Was bleibt?

Regelmäßig stehen Züchter vor den frisch geborenen Fohlen und geben bereits Einschätzungen über deren Qualität ab. Für den Laien ist das kaum begreiflich. Beim neugeborenen Fohlen sind aber folgende Merkmale bereits gut bewertbar:

  • Halsansatz,
  • Schulter,
  • Kruppen Formation und
  • Winkelung der Hinterhand.

Die Korrektheit des Fundaments ist bereits abzusehen, wobei äußere Einflüsse sich noch positiv wie negativ auswirken können. (siehe auch: Verstellungen und Hufpflege beim Fohlen)

Nachfolgend sieht man einen kurzen Bildeindruck, wie sich das Fohlen aus dem Titelfoto bis zum Alter von 2 Jahren verändert hat.

Veränderung Fohlen

Ein Wort zum Typ

Auch wenn sich Kaufinteressenten gern in niedliche Fohlenköpfe verlieben, ist das am ehesten vergänglich. Der Typ unterliegt teilweise gewaltigen Veränderungen. Gerade Hengstfohlen verlieren einen schicken Schnabel zugunsten eines maskulineren Gesichts.

Die Fokussierung auf einen schicken Typ (der regelmäßig auf ein schönes Köpfchen reduziert wird) zulasten von Sportlichkeit ist allgegenwärtig. Altmodische Modelle mit wuchtigen Gelenken werden wegen eines feinen Köpfchens als typvoll herausgestellt. Details, die bei der Bewertung auf Fohlenschauen regelmäßig verwundern.

Der hübsche Kopf hinterlässt auch regelmäßig Herzchen in den Augen der Kaufinteressenten, ist aber meist bis zur Sattelreife verpufft. Was kaum ein Züchter auszusprechen wagt: Kaum ein Fohlen behält den feinen Fohlenkopf im reiferen Alter bei.

Bewegungsablauf

Wie bei Reitpferden wird auf spektakuläre Bewegungsabläufe mit viel Ablauf über das Knie und möglichst waagerechte Oberarme geschielt. Gewaltiger Schub und Durchschwung beindruckt selbst dann, wenn das großzügige Bewegungspotential zulasten von Reaktionsschnelligkeit, Tragkraft mit breit tretenden Hinterbeinen erfolgt.

Dagegen bleiben Kaufinteressenten von Faktoren wie Tragkraft in Übergängen, Antritt, Körperbalance, Elastizität, Naturwechsler und unerschütterlichem Takt gänzlich unbeeindruckt. Dabei sind gerade dies Qualitäten, die später einmal ein gutes Reitpferd ausmachen. Diejenigen universal nützlichen Eigenschaften, die für Reitkomfort und Einsatzfähigkeit jenseits der Materialprüfungen führt. Ein guter Motor ist schließlich Grundvoraussetzung für spätere sportliche Förderung, was umso mehr gilt, je höher das sportliche Niveau wird.

Die Grundgangarten des sehr jungen Fohlens sind auch für Profis nur schwierig abschließend zu beurteilen. Die übergroße Galoppade des jungen Fohlens bleibt meist nicht erhalten. Es gibt kaum ein Fohlen mit wenig Übertritt im Schritt. Die Qualität des Schritts lässt sich oft erst beim älteren Jungpferd mit genügend Sicherheit beurteilen.

Rückentätigkeit

Ein Fohlen, das es anbietet über den Rücken zu gehen, hält schon früh in den Verstärkungen fast mühelos den Takt und schwingt im Rücken. Das wird man nicht so leicht finden.

Wer dagegen mit viel Spektakel auftritt, nimmt die Kraft für die enorme Bewegung oft aus einer festen Lendenpartie. Der hochgereckte Schweif begleitet oft diese Fohlen, ist aber auch ein grundsätzlicher Indikator für den Erregungsgrad des Fohlens.

Bei Fohlen mit Rückentätigkeit besteht eher die Tendenz dazu, den Trab nicht unendlich zu verlängern, sondern schlicht anzugaloppieren. Andere kommen vor lauter Spektakel kaum von der Stelle und machen nur wenig Meter. Obwohl dies bei Fohlenschauen oft mit guten Noten bedacht wird, sollte man davon die Finger lassen.

Diziplinspezifische Beurteilung

Schwierig wird es, wenn Fohlen für unterschiedliche Disziplinen über einen Kamm geschoren werden. Denn man muss schon beachten für welchen Job das Fohlen vorgesehen ist.

Ein Dressurpferd ist regelmäßig mit längeren Linien und Fesseln ausgestattet und profitiert von natürlicher Aufrichtung. Bei einem Springpferd ist das nicht entscheidend.

Nach welchen Kriterien das Springfohlen beurteilen?

Auf Fohlenschauen landauf, landab wird der Springring im Regelfall nach denselben Kriterien bewertet wie der Dressurring, nur mit niedrigerem Maßstab.

Damit selektiert man natürlich nicht die besten Springfohlen, sondern höchstens die für die Dressur am geeignetsten unter den Fohlen mit Springpedigree. Da braucht man sich nichts vormachen.

Wenn Merkmale wie Galopp, Elastizität und Kraft im Buckel höher bewertet würden, als der senkrechte Oberarm und schicke Typ, wäre man da schon einen erheblichen Schritt weiter.

Wenn man bedenkt, dass eine Spezialisierung in Springen und Dressur gegensätzliche Zuchtziele sind, darf man diesen Fehler nicht begehen. (Siehe auch: Doppelvererber – Auszeichnung oder Makel?)

Meiner Meinung nach sind für ein Springfohlen Beweglichkeit und Elastizität deutlich wichtiger als Bewegungsgüte. Ein gutes Gefühl für Balance lässt sich beim Steigen oder bei Tempo- und Richtungswechseln gut beurteilen. Die Bewegungsenergie geht fließend über von Bewegung zu Stand, darunter fallen zackiges Antreten und schnelle Reaktionen. Die Fohlen sollten gut bemuskelt und viel in Bewegung sein.

Fazit

Gewünscht ist immer ein athletisches Fohlen mit kurzer Reaktionszeit und viel natürlicher Balance. All dies in der Hoffnung, dass diese Attribute auch unter dem Reiter erhalten bleiben. Ich achte vor allem auf den Ausgleich von Geschmeidigkeit und Körperkoordination, gegenüber Kraft und Muskulatur.

Fohlen dürfen bei mir gern intelligent und selbstbewusst auftreten, müssen aber aufgeschlossen gegenüber dem Menschen sein und Grenzen akzeptieren. Später werden Intelligenz und Mut sicher die größeren Auswirkungen auf die Sporttauglichkeit haben als das Exterieur. Dennoch hilft ein kritischer Blick auf das Fohlen bereits zu erkennen, ob es die gewünschten Ansprüche erfüllen kann.

Weiter mit einem ähnlichen Thema: Wie wichtig ist das Exterieur des Sportpferdes? oder Aufzuchtintensität für Jungpferde

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