Da ich mit vielen Pferden zu tun gehabt habe, die nach Aussage ihrer Besitzer ein Problempferd sind („an den Haken gehören“) oder als unreitbar galten, möchte ich gern meine Gedanken zum Thema unkooperatives Pferd bzw. „nicht wollen“ der Pferde äußern.
In meinen Augen sind viele Pferde, denen eine mangelhafte Arbeitseinstellung attestiert wird, sensibler als der Besitzer dies mitbekommt und haben oft nicht Freude am Reitsport vermittelt bekommen. Oder mit anderen Worten sie sind unverstanden.
Dabei ist doch eigentlich klar: Nur Verständnis ist geeignet, Probleme zu lösen. Unverständnis wird dagegen Probleme schaffen!
Alles Problempferde?
Inhalt
Kein Problemferd, mit dem ich die Chance hatte ein paar Wochen lang zu arbeiten, hat danach jemals aktive Leistungsverweigerung betrieben. Sehr wohl gab es Exemplare, die mir zu Beginn dieser Zeit mehr oder weniger unmissverständlich zu verstehen gaben, dass sie nicht bereit waren, bestimmte Dinge hinzunehmen.
Der Großteil der sogenannten schwierigen Pferde fühlt sich nach meinem Dafürhalten übergangen und unverstanden. Nimmt man sich die Zeit den Pferden auf anderen als den gewohnten Wegen die Zeit zu erklären, was man von ihnen möchte (und fragt stets nur Dinge ab, die das Pferd körperlich zu leisten imstande ist), hat JEDES Pferd das ich arbeiten durfte, alles daran gesetzt, den Anforderungen gerecht zu werden.
Das hat in meinen Augen weniger mit einer einsamen Begabung zu tun, sondern welche Einstellung der Reiter mitbringt.
Wer den Fehler stets beim Pferd sucht, wird das Pferd bestrafen wollen für seine Unkooperativität. Das ist sicher manchmal nötig, um Grenzen zu setzen, aber oftmals auch zerstörerisch für ein ohnehin schon angeschlagenes Vertrauensverhältnis zum Pferd.
Was hilft?
Man sollte aber grundsätzlich jedes „nicht wollen“ des Pferdes als Chance sehen, etwas anders zu machen. Wer sich die Mühe macht, wird oft erstaunt sein, wie positiv das ausgeht.
Wie kann ich diese Probleme konkret angehen?
- Positive Bestärkung des Pferdes für erwünschtes Verhalten, bevor es zur Widersetzlichkeit kommt.
- Einen Schritt zurückgehen und das Geforderte noch einmal auf eine andere Art dem Pferd verständlich machen oder in kleinere Schritte aufteilen.
- Im hier und jetzt sein und auf die tatsächlichen Handlungen des Pferdes reagieren, anstatt per Kopfkino schlimme Situationen heraufzubeschwören.
- Das Vertrauen des Pferdes durch vorausschauendes und vertrauenserweckendes Verhalten verdienen.
- Sich selbst hinterfragen, ob dieses Pferd das Abgefragte körperlich und mental zu leisten imstande ist.
Angst vor Kontrollverlust
Die Befürchtung des Reiters ist natürlich, dass er die Kontrolle über das Pferd verliert. Aber Angst vor Kontrollverlust ist grundsätzlich kein guter Berater (siehe auch: Wettrüsten zu Pferd – Die reiterliche Angst vor Kontrollverlust). Wer Angst hat, muss einen Schritt zurückgehen und Situationen erschaffen, die er kontrollieren kann. Das schafft das Selbstbewusstsein, um das nächste Mal dem Pferd gegenüber überzeugender rüberzukommen.
Fakt ist: Keiner hat gern einen Kontroll-Freak als Chef. Auch ein Pferd nicht. Es muss schon eine faire Chance haben richtig zu liegen und nicht permanent für etwas unvorhersehbar gestraft werden. Pferde die nicht besonders leidensfähig sind, melden sich dann zu Wort. Wer auf sein Pferd achtet, kann in meinen Augen nur gewinnen. Denn das Pferd gewinnt eher Achtung vor dem Menschen, wenn auf seine Abwehr mit Verständnis reagiert wird.
Stichwort Dominanz
Ein Pferd ist ein Herdentier, das soziale Kontakte pflegt und es gewohnt ist, sich Ranghöheren gegenüber unterzuordnen. Konkrete Forderungen seitens des Reiters wird es respektieren, sofern es sie als durchführbar und akzeptabel erlebt.
So viele Pferde, wie von ihren Reitern und Besitzern als dominant bezeichnet werden, kann es gar nicht geben. Solche Ausreden sprechen eher für die latente Überforderung des Pferdehalters. (Siehe auch: Kommunikation statt Dominanz)
Zumal Dominanz in der Biologie immer die Beziehung zwischen Individuen bezeichnet und keine Charaktereigenschaft eines Tieres ist, wie umgangssprachlich so oft unterstellt wird. Das Pferd kann demnach auch immer nur so dominant sein, wie man es lässt.
Wer ist hier der Sturkopf?
Natürlich gibt es auch bei Pferden Sturköpfe, die einfach mal austesten, wie weit sie gehen können. Charaktere sind unterschiedlich. Aber nach meinem Erleben sind viele Pferde, die sich sträuben schlicht überfordert oder verstehen ernsthaft nicht, was von ihnen verlangt wird. Auch körperliche Ursachen kann man abklären.
Das Pferd mag vieles blöd finden: Still stehen, Fuß geben, sich anstrengen bei der Arbeit, Füße kreuzen in den Seitengängen. Man sollte sich bei offenem Widerstand stets fragen: Kann mein Pferd mich verstehen? Wie kann ich ihm das, was ich möchte, auf andere Weise verständlich machen?
Der erste Impuls des Reiters ist dagegen oft Fehlverhalten zu strafen. Aber damit verhärten sich die Fronten zusehends. Viel besser wäre es, minimale Erfolge zu belohnen. Bei einer Blockade-Haltung einen Schritt zurück zu gehen und neu anzusetzen, dabei bewusst deutliche Signale zu geben.
Angst und Widersetzlichkeit werden oft verwechselt!
Die Standard-Antwort auf Blockadeverhalten seitens des Pferdes scheint seit Generationen von Reitlehrern zu sein: „Der verarscht dich!“ oder „Da muss er jetzt durch!“. Gut, Pferde müssen tatsächlich mit relativ vielen Einschränkungen von Reiterseite leben, um einen freundlichen Freizeitpartner abzugeben. Aber viele unverstandene Pferde haben in meinen Augen vor allem ein Problem mit einem Reiter, der nicht erkennt, dass das Pferd sich nicht aus Widersetzlichkeit sträubt, sondern aus Angst.
Dem zugrunde liegt das Gefühl des Pferdebesitzers sich das Verhalten des Pferdes nicht gefallen zu lassen. Menschen sollten sich von dem Gedanken lösen, dass Pferde sie hintergehen oder bewusst täuschen. Das überfordert deren mentale Fähigkeiten und ist eine böse Unterstellung.
Pferde reagieren für gewöhnlich auf Verhalten und planen nicht den Aufstand. Wäre dem so, hätten Reiter wesentlich mehr ernsthafte Probleme. Ich persönlich stelle mir immer wieder die Frage: „Warum machen Pferde das mit?“ Wenn Pferde wüssten, wie viel mehr Kraft sie haben, als der Mensch… Das Pferd hat keine bösen Absichten. Da muss man als Reiter schon eine andere Lösung finden!
Fazit
Dies ist ein Plädoyer an Reiter und Pferdebesitzer den Widerstand ihrer Pferde ernst zu nehmen. Pferde machen sowas nicht aus einer Laune heraus oder gar absichtlich, um den Reiter zu ärgern. Das sind allesamt rein menschliche Deutungsweisen.
Meist gibt es einen guten Grund für das Verhalten und es lohnt, sich zurückzunehmen und darüber nachzudenken, woran es liegen könnte.
Ich weiß selbst, darauf wird es nicht immer eine eindeutige Antwort geben. Man darf mich auch nicht falsch verstehen und alle Tyranneien seines Pferdes geduldig ertragen. Das Pferd muss eine klare Vorstellung davon bekommen, was von ihm gefordert wird. Aber ich bitte darum genau hinzusehen und für den feinen Unterschied zwischen Angst und Widersetzlichkeit offen zu bleiben. Viele Pferde haben nie gelernt, dass die Zusammenarbeit mit dem Menschen Spaß bringen kann. Die meisten lassen sich hiervon jedoch in jedem Alter noch bereitwillig überzeugen.
Weiter mit einem ähnlichen Thema: Wettrüsten zu Pferd – die reiterliche Angst vor Kontrollverlust oder Wann haben Pferde Kampfgeist?
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Danke für deinen schönen Text. Es ist so wahr. Ich selbst habe zwei angeblich unreitbar Pferde, die hier zu absoluten Traum- und vor allem Verlasspferden geworden sind. Mit Geduld und Ruhe kommt man viel weiter als mit Gewalt und Strenge. Außerdem fällt mir auf, das viele Reiter keine Ahnung von ihrem Pferd haben – es nicht „lesen“ können. Das ist traurig denn gerade so wird häufig missverstanden.
„Der muß an den Haken“
Bevor ein Pferd – weil es dauerhaft Missverstanden wir – zum Wanderpokal wird an dem sich unzählige „Pferdprofis“ abprobieren, ist, „Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende“, die bessere Wahl für das Pferd.
Den richtigen Menschen für ein schwieriges Pferd zu finden erscheint schier unmöglich, weil, gerade in der heutigen Zeit, sich so viele berufen sehen (nach einmaligem Kurs etc.), ein schwieriges Pferd zu händeln.
Wenn das nicht klappt, wird das Tier weite rund weiter gegeben.
Da ist der letzte Gang, selbst in jungen Jahren, für das Pferd sicherlich die bessere – wenn auch nicht schönste – Wahl.