Bei der Suche nach einem Vollblüter den Jackpot finden!

Es heißt oft, einen guten Vollblüter für den Reitsport zu finden, sei vergleichbar mit der Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Viele Reiter und Züchter sind jedenfalls überzeugt, es wäre schon schwer genug, einen passenden Vollblüter für den Reitsport zu finden. Und schlicht nicht leistbar, dass sich ein solcher Vollblüter auch noch in der Zucht gut vererbt. Das wäre ein echter Jackpot! Ich denke, wenn man weiß, worauf man achten muss, ist beides ein lösbares Problem.

Die Herausforderung

Inhalt

Das Problem ist nicht der Mangel an Qualität der Vollblüter, sondern die unpassenden Suchkriterien. Diese These möchte ich nachfolgend näher ausführen und vor allem bessere Alternativen vorschlagen.

Ich erkläre, warum ein Mangel an Sportdaten, unpassende Suchkriterien und die Gleichmachung von Warmblut und Vollblut den Vollblüter im direkten Vergleich schlecht abschneiden lassen. Obwohl diese Pferde -nach den richtigen Kriterien ausgesucht- durchaus das Potential haben, gewinnbringend zu wirken.

Die wichtigste Frage ist, wie man es in Bezug auf Vollblut für Reitsport und Warmblutzucht besser machen kann. Ich habe mir schon vor langer Zeit gefragt, wie man die Suche nach guten Vollblütern effektiver und vor allem faktenbasierter gestalten kann.

Warum überhaupt? Es herrscht viel ungutes Gefühl und Zweifel und man hört oft den Vorwurf die Vollblüter seien einfach „nicht mehr so gut wie früher“. Erklärungen sind meist auch schnell zur Hand, wie die Verkürzung der Renndistanzen oder falsche Zuchtzielsetzung im Vollblutbereich.

Aber was man dabei vergisst, ist dass die Vollblutzucht sich nicht als erstes Ziel die Nutzbarkeit in der Warmblutzucht auf die Fahne geschrieben hat. Diese Zweitverwendung mag für viele Vollblüter passen, aber man muss schon selber sehr genau wissen, wonach man Ausschau hält.

Nichts ist so trügerisch wie anekdotische Evidenz. Daher mögen mir alle nicht so ausgeprägten Daten-Fans verzeihen, wenn ich an dieser Stelle etwas aushole. Ich versuche die nachfolgende trockene Beweisführung so kurz wie möglich zu halten. Aber es ist fundamental wichtig zu verstehen, warum meine Theorien nicht einfach nur Meinung, sondern auf Basis von Fakten und einer soliden Datengrundlage zustande gekommen sind.

Ich hole zuerst einmal kurz aus, um die jetzige Situation zu beschreiben.

Die klassische Pferdebeurteilung

Es wird bei der Pferdebeurteilung eine Mischung aus den folgenden Komponenten angewandt:

  1. Abstammung
  2. Exterieur
  3. Eigenleistung

Das sind die Aspekte, die in variabler Gewichtung von Experten herangezogen werden, wenn es darum geht, ein Pferd in seiner Leistungsfähigkeit einzuschätzen. Daran ist soweit nichts verkehrt, denn dies sind durchaus bewährte Kriterien. Mit der Einschränkung, dass man sie zu bewerten wissen muss.

Es ist vor allem ein Problem, dass dieselben Kriterien von Warmblütern auf Vollblüter angewandt werden. Sind Vollblüter nicht auch nur Pferde? Klar, aber es gibt einen gewaltigen Unterschied dabei: Vollblüter schneiden bei einer solchen Bewertung unverhältnismäßig schlecht ab.

Es heißt dann oft, sie haben andere Stärken. Aber das Problem ist vielmehr, dass wir über Vollblüter nicht so viele Informationen haben, wie über Warmblüter. Ergo sind unsere Prognosen unzuverlässiger. Kommen wir nun zu den Ursachen hiervon.

Mangel an Daten

Da aus dem Turniersport Daten zu Warmblütern vorliegen, kann ein viel kompletteres Bild von deren Verwandtschaftsleistung entstehen, bevor überhaupt eine Eigenleistung vorliegt. Das hilft dem Züchter dabei, die Abstammung zu beurteilen und Prognosen über eine Leistungsfähigkeit des Pferdes zu machen. Viele Junghengste erhalten auf diese Weise Vorschusslorbeeren, sie werden züchterisch genutzt, weil sie aus einem erfolgreichen Stamm kommen und gut gezogen sind. Man bewertet daher das züchterische Risiko als überschaubar.

Die selben Daten liegen aber über Vollblüter in der Regel nicht vor. Das Englische Vollblut in Deutschland ist aus guten Gründen nur vereinzelt im Reitsport anzutreffen. Siehe auch: 11 Ursachen für den Rückgang von Vollblut. Daher gibt es deutlich weniger Informationen über die Sportleistungen der Verwandtschaft. Es gibt allenfalls lückenhafte Datengrundlagen.

Ohne diese Daten steht der Warmblutzüchter wie vor einer „Black Box“ namens Vollblut (aus der Systemtheorie: nur die Außenansicht wird beurteilt, der innere Aufbau wird ignoriert). Man muss sich auf den Phänotyp beschränken, weil über den Genotyp nichts bekannt ist.

Neben der klassischen Beurteilung kommt noch eine vierte wichtige Komponente bei der Pferdebeurteilung hinzu:

Bauchgefühl

Dieses Element ist gleichzeitig sinnvoll und potentiell trügerisch. Denn Züchter machen meiner Ansicht nach einen entscheidenden Fehler in der Auswahl von Vollblutpferden: Sie vertrauen auf traditionelles Wissen und Bauchgefühl ohne irgendeine Form von Belegen.

Bauchgefühl macht im ersten Moment Sinn, weil die Person, die eine Auswahl trifft, für diese Entscheidung auch geradesteht. Da sollte man zu 100% hinter der Entscheidung stehen! Aber das ist auch ziemlich altmodisch. Ich bin jedenfalls ein großer Fan von Daten als Backup für meine Entscheidungen. (siehe auch: Pferdesportdaten)

Ich muss an dieser Stelle kurz klarstellen: Ich bin nicht grundsätzlich dagegen, als ersten Schritt in der Pferdebeurteilung auf sein Bauchgefühl zu vertrauen. Ich glaube, der geübte Fachmann ist ausgesprochen gut darin, Dinge mit dem Auge zu erfassen und mit dem Herzen zu bewerten, die er mit dem Verstand noch gar nicht geordnet wiedergeben kann. Das gehört unbedingt zum Handwerk.

Aber es darf nicht das einzige Kriterium bleiben. Und bei Vollblütern endet es oft so unvollständig, weil uns die Datengrundlage fehlt, um zu einem umfassenderen Urteil zu kommen.

Wie geht es weiter?

An dieser Stelle enden die meisten Beurteilungen von Vollblütern. Man wagt eine vorsichtige Prognose aufgrund von Bauchgefühl, denn mehr haben wir an dieser Stelle einfach nicht.

Es wäre aber besser, die eigenen Eindrücke erst einmal auf ihre Validität zu prüfen. Hierzu sind Pedigree und Exterieur des Pferdes erste Anhaltspunkte, aber wenige Warmblutexperten können diese Aspekte bei einem Vollblut abschließend beurteilen.

Sich bei der Beurteilung auf Eigenleistung allein zu verlassen, ist ebenfalls gefährlich. Das ist ungefähr so, als wollte man mit einem Weltmeyer-Sohn die Springpferdezucht revolutionieren, weil der im Freispringen über 1,20m eine gute Figur abgibt. Jeder mit einem Funken Ahnung von Genetik wird das für keine gute Idee halten. Aber so ähnlich läuft es aktuell bei den Vollblütern. Statt genauer hinzusehen und sich in die Materie einzuarbeiten, wird auf Stellvertreter vertraut.

Ein Korrektiv fehlt für Vollblüter oft gänzlich, da heißt es lapidar, man solle „Mut zum Blut haben“. Dieser wohlmeinende Ausspruch ist an dieser Stelle aber kein guter Rat, denn so werden Pferde passend geredet, statt beurteilt.

Wenn man hingegen die Linien in der Vollblutzucht kennt und sieht, wie beliebig eine Auswahl getroffen wird, kommt man nicht umhin, sich zu wundern, wie das die Warmblutzucht beflügeln soll. Da werden vollkommen undifferenziert Pferde aufgrund von einem Exterieur Eindruck anlässlich einer Körung für die Warmblutzucht rekrutiert, ohne die Eignung des Pedigrees oder der Verwandtschaftsleistung überhaupt in die Beurteilung mit einzubeziehen.

Oder gar nach einer Methode ausgesucht, die noch weniger erfolgsversprechend ist, nämlich der Nutzung von Aussagen über die Rennleistung dieser Pferde strikt nach dem GAG. (siehe auch: Was sagt das GAG über einen Vollblüter aus?) Das GAG hat in der Vollblutzucht unbestritten einen wichtigen Zweck für den Erhalt von Härte und Leistung, aber der lässt sich eben nicht 1 zu 1 in seiner Nützlichkeit in die Warmblutzucht übertragen.

Das wird der Sache nicht gerecht! So erhält man genau das, was man Vollblut gemeinhin gern unterstellt, nämlich ein treues Warten auf die F2 Generation, weil die F1 angeblich ohnehin nicht viel taugt.

Eine bessere Vorgehensweise

Es gibt Wege, die Wahrscheinlichkeiten zu erhöhen, auf die zweifellos vorhandenen Erfolgspferde zu setzen. Aber nur indem man disziplinspezifisch nach Gemeinsamkeiten der Erfolgspferde sucht.

Für mich als Daten-Junkie ist es völlig unbegreiflich, wie man sich die Chance entgehen lassen kann, die Sportdaten von Vollblütern dahingehend auszuwerten. Und ich meine damit nicht nur ein bisschen nach Gusto die Besten wie Rosinen rauszupicken oder auf Erfolge von anno tuck aus dem Stamm zu verweisen. Sondern sich ein wirklich umfassendes Bild zu erstellen.

Meine Datenbank

Weil es zwar viele Portale für Reitsportdaten, aber keine solche Datenbank exklusiv für die Bedürfnisse des Vollblüters im Reitsport gibt, habe ich sie kurzerhand selbst erschaffen.

Wie das? Ich habe Sportdaten aus den FN Erfolgsdaten, die Rennsportdaten des Direktoriums für Vollblutzucht (heute Deutscher Galopp) und FEI Sportdaten zusammengeführt. Diese Rohdaten habe ich über viele Jahre um zusätzliche Aspekte erweitert, die sich als sinnvoll erwiesen haben. Dies beinhaltet alle FN Datensätze ab dem Jahr 1976, somit sind Vollblüter ab dem Geburtsjahrgang 1950 enthalten.

Zu Beginn standen für jedes einzelne Pferd diese Basisdaten:

  • Grunddaten wie Name und Geschlecht, sowie Abstammung/ Stutenstamm
  • Rennleistung (Rennzeiten, GAG, LGS, Distanz jeweils für Flach- und Hindernisrennen)
  • Reitsporterfolge nach Sparte und Jahr inklusive Lebensgewinnsumme

Mehrere Tausende Vollblüter auf jedem Leistungsniveau sind in meine Datenbank eingeflossen. Dies ergibt einen wertvollen Datenschatz über diejenigen Vollblüter, die bei der FN erfolgreich sind. Das Beste daran: Ich kann sie vergleichen mit Vollblütern, die nicht so gut abschneiden. Denn erst das ist eine solide Basis für eine Beurteilung.

Und auf einmal sind es Fakten statt Meinung. Keine Mutmaßung auf Basis von anekdotischer Wahrnehmung einzelner Pferde.

Was kann ich daraus ablesen? Von der Rennleistung über die Abstammung und die Haltbarkeit im Reitsport bietet diese Datengrundlage einmalige Rückschlüsse auf die Leistungsfähigkeit von Vollblütern im Reitsport.

Die erlaubt auch eine Filterung nach Reitsportdisziplin. Das ist wichtig, denn Vollblüter sind nicht für jede Sparte gleich gut geeignet, man sollte unbedingt davon abgekommen, sie als Veredler für alle Zwecke zu nutzen!

Was sagen denn die Renndaten aus?

Bisher war eine Auswertung allein auf die Daten des Rennsports angewiesen, um die Leistungsfähigkeit des Vollblüters zu beurteilen. Das ist in meinen Augen wenig aussagefähig. Die breite Varianz der Pferde (von Spitzenathlet bis zur Niete auf der Bahn) unter den erfolgreichen Sportpferden spricht dahingehend eine deutliche Sprache.

Die Renndaten können in meinem System aus einem komplett anderen Blickwinkel evaluiert werden. Nämlich erfolgsbasiert, also: Wie schneiden die im Reitsport S-erfolgreichen Vollblüter zuvor auf der Rennbahn ab? Um daraus dann Kriterien abzuleiten, woran man sie erkennen kann. Es gibt somit Antworten auf die dringlichsten Fragen, die mir Kunden mit Interesse an Vollblütern immer wieder stellen:

  • Wie erhöhe ich meine Chancen auf ein Pferd mit erfolgreicher Turnierlaufbahn nach dem Rennsport?
  • Wie wahrscheinlich ist es, dass ein Pferd mit langer Rennleistung noch viele Jahre im Turniersport aktiv ist?
  • Zeigt sich eine Korrelation zwischen Renndistanz und Reitsport-Sparte?
  • Gibt ein bestimmter Hengst Springveranlagung mit? Sollte man dessen Nachkommen bevorzugen?

Was bedeutet das?

Diese Daten erlauben komplett neue Einblicke in die Leistung von Vollblütern, die selbst Kenner der Rasse überraschen könnten. Wichtig ist daher die Bereitschaft, diese Ergebnisse ohne Vorbehalte intensiv zu studieren.

Eine Beurteilung von Stellvertretern wie Pedigree und Exterieur für sich allein genommen, angereichert mit Bauchgefühl, greift meiner Meinung nach entschieden zu kurz. Denn es dauert einfach zu lange und kostet zu viel Geld, um es mit einem beliebigen Individuum zu versuchen und zu hoffen, dass es gut geht. Das ist schlicht nicht besonders effizient.

Exterieurmerkmale beachten

Und noch ein weiterer spannender Aspekt kristallisiert sich heraus. Ich habe unter den Kriterien Exterieurmerkmale ausmachen können, die eine Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Vollblüters möglich macht. Es gibt ganz klare Aspekte, die bei Warmblut wie Vollblut gleichermaßen, Rückschlüsse auf deren Leistung und Haltbarkeit im Spitzensport zulassen. (siehe auch: Onlinekurs Pferdekenner)

Denn ganz nach dem Ausspruch „form fits function“ (zu Deutsch: die Form folgt der Funktion) kann ein Pferd nur die Leistung abrufen, zu der es körperlich imstande ist. Es ergeben sich ganz erstaunliche Korrelationen aus Exterieurmerkmalen und der Reitsportsparte, die sich auch physikalisch logisch erklären lassen.

Fazit

Die üblichen Selektionsmethoden für Vollblüter bringen nicht den gewünschten Erfolg und haben zu einen Rückgang seiner Nutzung in Zucht und Sport geführt. Die echte Herausforderung bei der Suche nach einem Vollblüter ist daher in meinen Augen nicht die Beurteilung der Vollblüter, sondern die Abkehr von der traditionellen Herangehensweise. Es braucht einen unverstellten Blick auf die Fakten, wie sie uns die Sportdaten liefern.

Dazu braucht es statistisch valide Aussagen aus kompletten Datensätzen mit möglichst vielen Vollblütern an jedem Ende des Spektrums der Leistungsfähigkeit. Es ist absolut unzulässig, die positiven Pferde herauszupicken und die negativen Aspekte unter den Tisch fallen zu lassen.

Es ist auch nicht zielführend (für Züchter wie Verbände), in einer globalen Welt nur ein bestimmtes regionales Zuchtgebiet zu beachten. Nur ein disziplinübergreifender Ansatz, der die individuelle physische Leistungsfähigkeit des Pferdes beachtet, kann die gewünschten Ergebnisse bringen.

Wir sollten uns dabei auf die hoffnungsvollsten Individuen beschränken und nicht weiter nach dem Gießkannenprinzip vorgehen. So lässt sich auch der Jackpot deutlich leichter finden.

Habe ich Dein Interesse an dem Thema geweckt? Wenn Du Deine Pferdebeurteilung auf das nächste Level bringen willst und es ganz genau wissen möchtest, habe ich genau das Richtige für Dich! Um ein Pferd richtig einzuschätzen, schau Dir meinen Onlinekurs Pferdekenner an! Oder melde Dich für eine Zusammenarbeit direkt bei mir.

Weiter mit einem ähnlichen Thema: Pferdesportdaten oder Keine Lobby für den Vollblüter im Reitsport

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6 Gedanken zu „Bei der Suche nach einem Vollblüter den Jackpot finden!“

  1. Hallo liebe Iris,

    ich habe mich vor knapp fast 2 Jahren unbewußt für einen Vollblüter entschieden. Unbewußt deshalb, weil mir das Pferd als Irish Sport Horse verkauft wurde und mir der Charakter wichtig waren. Nach dem ersten Schock und viel Tränen/ Unsicherheit bin ich mit meiner Vollblut-Stute super glücklich und genau das, was ich vom Charakter haben wollte 🙂

    Antworten
  2. Hallo Iris,
    ich bin Jahrgang 1962. Reite seit über 50 Jahren. Berufsreiterprfg. 1983 Warendorf. Nicht weiter verfolgt. Mein Herz schlägt eigentlich für VB. Ich bin jahrzehntelang als Amateur Trainingsreiter auf der RB Krefeld morgens mitgeritten. Später wollte ich ein eigenes Rennpferd (züchten). Gestüt Zoppenbroich hatte die richtige Stute für mich: Outarde (170cm) von Königstuhl. Im 2. Versuch bekam ich ein Fohlen von Arado (Vollbruder Athenagoras). Der kleine Oleandro wurde leider 178!cm und für den Rennsport zu groß und zu schwer. Er blieb bis zuletzt bei mir als das zuverlässigste Reitpferd, daß ich je hatte. Ausreiten und kleine Jagden war sein Ding. Im Parcour war bei max. 100cm Schluß. Ich war oft betrübt. Dressur eher zäh. Dann habe ich mein Traum Sportpferd in Form von Hannoveranerin Coeur Rouge gefunden. Ein Pferd, was ich mir schon als Kind gewünscht habe: schön, leichtrittig, talentiert für Dressur und Springen, zündet. Mitlerweile bin ich aber wohl zu alt geworden für die heutigen, guten WB Pferde. Statt ruhiges, schönes Reiten war sie schnell hochelektrisch. Ich habe nach 8 Jahren dieses Weihnachten aufgegeben und sie an eine ambitionierte Reiterin weiterverkauft. Jetzt ist nach etlichen Unfällen mein Schneid weg und ich erinnere mich gerne, als ich noch aussortierte Rennpferde von der Rennbahn kaufte (ca. 12) und nach 3-6 Monaten als gutes Reitpferd wieder weitergegeben habe. Sie haben recht, daß es soviele unterschiedliche Typen und Verwendungszwecke gibt. Die Arbeit mit diesen Pferden hat mir die meiste Freude gemacht. Sie waren alle unkompliziert, haben ein ehrliches Wesen und wollen arbeiten. Sie sind anders als ein Warmblutpferd. Da mich die Fazination wohl nie loslassen wird, denke ich über eine Fortbildung zur Pferdebeurteilung bei Ihnen nach. Bis dahin lese ich Ihren Blog aufmeksam und sehr interessiert.
    LG Beate

    Antworten
  3. Die grossen Linien müssen stimmen…wer einige Zeit auf der Rennbahn war ist gesund.Mit Fehlersuche kriegt man kein gutes Pferd. Dann gehts los: freundlicher Umgang,mit Missverständnissen muss man rechnen.Vertrauen aufbauen,beruhigend einwirken.
    Niemals strafen, was nicht gleich klappt auf später verschieben.
    Unbedingt Kraftfutter reduzieren,sonst hört der Vollblüter nicht zu. Mit diesem Aufbau Freundschaft entwickeln ,dabei zunächst den Weg in die Tiefe finden.Das alles kann durchaus länger dauern,ist aber die Voraussetzung ,um später Leistung abzurufen.
    Ich habe über 100 Vollblüter von der Bahn in meinem Leben zu „Reitpferden“ ausgebildet. Der Erfolg kam eigentlich immer. 2x Bundeschampionat (Geländepferde) .Einmal Sieg in der M -Prüfung ,einmal zweite Platz in der L-Prüfung.
    Hat viel Spaß gemacht,wenn man auch bereit war „Eigenarten“ großzügig zu übersehen.Es sind eben Lebewesen,auch wir Reiter haben ja Ecken und Kanten.

    Antworten
  4. Hallo Fr. Wenzel,
    wie immer spricht aus all Ihren Zeilen Ihre Begeisterung für das Vollblut im Renn-, v.a. aber im Reit- bzw. Springsport.
    Viele Ihrer Ansätze finde ich sehr interessant und sehe sie heute, da ich vom Fohlenchampionat in Neustadt/ Dosse zurückkomme, bestätigt. Halbblutfohlen gab es nicht. Halbblutmütter ein paar wenige- ein paar Heraldik xx-bzw. Lauries Crusador xx – Abstammungen oder 1 Ituango xx sind mir im Gedächtnis geblieben. Es erscheint durchaus so, dass erst auf die F2 -Generation große Hoffnung gesetzt werden.
    Gelobt wurde meist der gut veredelte Typ, weniger die Bewegung bzw. Sportlichkeit. Das war i.Ü. auch auf der kleinen Zuchtschau der Wadenspanners der Fall. Es ist, wie Sie sagen: „Vollblüter schneiden bei einer …. Bewertung unverhältnismäßig schlecht ab“, wenn die Kriterien von Warmblütern auf Vollblüter angewandt werden. Ob „unverhältnismäßig“ allerdings richtig ist, weiß ich nicht. Gänge, Abdruckkraft und Halsaufsatz unterschieden sich eben durchaus.
    Und wie sollte die Bewertung auch anders sein? Die Kriterien der Zuchttiere orientieren sich nun mal am Turniersport. Hier ist der Maßstab, gleich in welcher Stufe, besonders aber ab L, das Gang- bzw. Sprungvermögen der dafür spezialisierten Warmblüter.
    Und ob da ein (reiner) Vollblüter aktuell mithalten kann, würde mich jetzt doch interessieren. Schließlich kann nicht von der Hand gewiesen werden, dass ein Vollblüter einfach andere Stärken hat, weil die Vollblutzucht sich eben nicht als erstes Ziel die Nutzbarkeit in der Warmblutzucht auf die Fahne geschrieben hat.“, wie Sie selbst auch feststellen.
    Sie wünschen sich in der Springpferdezucht den Einsatz von Vollbluthengsten, v.a. von Steaplern, und machen als Problem der Hengstauswahl aus, „dass wir (Züchter) über Vollblüter nicht so viele Informationen haben“ und deshalb nach Bauchgefühl und Phänotyp bzw. ohne System, entscheiden. Na ja, das trifft wohl kaum auf oben eingesetzten Hengste zu!
    Im Anschluss heben Sie Ihre Datenbank hervor. Nennen Sie doch ein paar Fakten daraus ! Zu welchem Ergebnis kommt der wertvolle „Datenschatz über diejenigen Vollblüter, die bei der FN erfolgreich sind“? Welche Vollblüter bzw. Vollblutlinien schneiden aktuell gut, welche nicht so gut ab? Wie viele S-erfolgreiche Vollblüter gibt es derzeit/ in den letzten 20 Jahren überhaupt? In welchen Disziplinen? Dabei würde mich persönlich übrigens eher der ländliche als der internationale Turniersport interessieren, denn hier müssen die Pferde von normalen Reitern bei normalen Bedingungen händelbar und leistungsfähig sein.
    Interessant wäre in diesem Zusammenhang auch, in welchem Alter bzw. nach wie viel Jahren Reitausbildung diese Vollblüter dann ihre Erfolge erzielen, denn immerhin beginnt man ja auch nicht mit einem 3-Jährigen, sondern Etliches später mit einem anders gepolten Pferd, bei zudem Schub- und nicht Tragkraft im Vordergrund stand.
    Sie fragen sich, wie die Vollblüter, die Sporterfolge haben, denn einst auf der Bahn waren. Ist unter den Sporterfolgreichen nicht ein recht hoher Anteil, die nie auf der Bahn waren?
    Wichtig wäre zudem auch zu klären, welche Warmblutstuten-Linien aus welchen Gründen derzeit einen Vollblüter als Vater zukünftiger Generationen tatsächlich brauchen.
    Alles in allem denke ich doch, dass Reiter wie Züchter eigentlich immer nach Erfolgspferden suchen, die das Potential haben, gewinnbringend zu wirken. Objektive Daten würden da nur helfen.
    mfG
    Monika

    Antworten
    • Das Thema ist viel zu komplex, um es in einem Blogartikel abschließend vorzustellen, das ist dann eher die Aufgabe einer Doktorarbeit. 😉 Ich versuche die wichtigsten Themen daraus in meinen Produkten unterzubringen und die Arbeit am Onlinekurs Pferdekenner Vollblut habe ich hierzu bereits fertiggestellt:https://blog.hippothesen.de/pferdekenner/

      Ich denke es gibt Literatur, die uns nahelegt, wie wertvoll die Leistungen von Vollblut in der Vererbung in Bezug auf Sportleistung sind. In einer Doktorarbeit von Gerling/ 2018, die die Trakehner Population untersucht hat, wurde ausdrücklich festgehalten, dass Vollblut-Nachkommen in Bezug auf den Turniersport oberhalb der Klasse M die besseren Leistungen erbringen, als der reine Trakehner. Lediglich bei Fohlenschauen, SLP und im Basissport sieht das anders aus – was bei mir die Frage aufwirft, welche Anreize wir eigentlich setzen wollen? Ist denn nicht der große Sport unter Amateuren genau das, wo Sportpferde punkten sollten, zumindest wenn Leistung der Fokus ist?

      Mangels Masse kommen nicht genug Vollblüter in den Spitzensport. Wie wäre es denn, wenn Reiter und Züchter wirklich unvoreingenommen an das Thema Blut herangehen würden? Mit dem nötigen Hintergrundwissen, das nicht erst retrospektiv verfügbar ist.

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